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Editorial JA 9/2016

Prof. Dr. Christian Wolf, Hannover

Reform der Juristenausbildung 4.0

Derzeit plant die Justizministerkonferenz (erneut) eine Reform der Juristenausbildung. Hierzu hat die JuMiKo, wie die Justizministerkonferenz im Juristensprech genannt wird, einen Koordinierungsausschuss eingesetzt, der im Herbst seine Vorschläge vorlegen soll. Drei Punkte stehen im Fokus der Überlegungen: 1. Eine Reduzierung des Prüfungsstoffs. 2. Eine Vereinheitlichung der Prüfungen in allen Bundesländern. 3. Eine Reduzierung der Gewichtung der Schwerpunkte.

Die Reform soll sich sowohl auf die Erste Juristische Prüfung als auch auf das Zweite Staatsexamen beziehen. Dies ist vernünftig! Der Prüfungsstoff lässt sich für die Erste Juristische Prüfung kaum sinnvoll reduzieren, wenn im Zweiten Staatsexamen komplexe Details des  Wasserwirtschaftsrechts abgefragt werden. Wem im Studium nicht ein prozessuales Grundverständnis vermittelt wurde, wird sich kaum mit dem Zusammenspiel von erstem und zweitem Versäumnisurteil und der Begründungspflicht des zweiten Versäumnisurteils zurecht finden. Wer über die Juristenausbildung 4.0 diskutieren will, muss also Studium und Referendariat in den Blick nehmen.

Genau an dieser Stelle wird es schwierig. Ein Referendararbeitsgemeinschaftsleiter, mit dem die JA im Gespräch über die Juristenausbildungsreform ist, schrieb uns:

»Deshalb würde nur eine Juristenausbildungsreform etwas bringen, die zur Kenntnis nimmt, das Jura in erster Linie ein Handwerk ist (nämlich das, konkrete Fälle zu lösen) und erst in zweiter Linie (und nur zu einem geringen Teil) Wissenschaft.«

An den Universitäten wird man dies vermutlich anders sehen. Dabei hört man – als Vorwurf formuliert –, Juristerei sei ein Handwerk und keine Wissenschaft, zumindest entspreche unsere Arbeitsweise nicht mehr dem modernen interdisziplinären, in (Exzellenz-)Clustern organisierten Wissenschaftsbetrieb, an den Universitäten häufig. Von Kollegen anderer Fakultäten, Hochschulleitungen und vor allem von dem stets wachsenden Heer an anakademisierten Mitarbeitern diverser Wissenschaftsverwaltungen.

Was nun? Ja, in der Juristerei geht es um das Falllösen. Und ja, beim Fällelösen kann die ordnungsgemäße und saubere Erfassung des  Sachverhalts nicht unterschätzt werden. Erfahrene Anwälte sagen, mindestens 90% ist Sachverhaltsarbeit bei einem Fall und, wenn man Glück hat, 5% Beschäftigung mit Rechtsproblemen. Aber bei der Falllösung geht es auch darum, das Allgemeine im Besonderen zu sehen und gleichzeitig das Besondere im Allgemeinen. Es gilt nicht, irgendeine Lösung zu entwickeln, sondern die Falllösung wie Perlen auf eine Schnur aufzureihen, sie einzuhegen in die Dogmatik des Rechtssystems.

RechtsWissenschaft bedeutet, im Dialog mit der Praxis zu stehen. Was reines Handwerk ohne wissenschaftliche Reflexion bedeutet, kann man sich in all den Rechtsgebieten anschauen, welche an der Universität nicht gepflegt werden: Pointilismus der Einzelfallgerechtigkeit, der kaum mehr verstehbar ist. Was (recht-)Wissenschaft ohne Handwerk bzw. Praxis ist, hat Richard Posner in seinem Buch Divergent Paths anschaulich für das amerikanische Recht beschrieben: reines intellektuelles Glasperlenspiel ohne jeglichen praktischen impact factor in den Gerichtsentscheidungen.

Für die Reform der Juristenausbildung 4.0 folgt daraus:
1. An den Universitäten muss über ein hinreichend breites Spektrum aller praktisch relevanten Rechtsgebiete geforscht und gelehrt werden.
2. Aber nicht jeder Student muss alles wissen. Auch der Einheitsjurist lässt Schwerpunktbildungen zu.
3. Davon zu trennen ist die Frage, wie man die Schwerpunkte organisiert. Hier ist viel Raum für Verbesserung bis zur Wiedereinführung der alten Wahlfächer als Teil des Ersten Juristischen Staatsexamens mit Klausur.
4. Das Referendariat eignet sich wenig, um neue Rechtsgebiete dogmatisch zu vermitteln. Hier sollte die Vermittlung der praktischen Rechtsanwendung im Vordergrund stehen. Der Prüfungsstoff sollte zwischen Erster Juristischer Prüfung und Zweitem Staatsexamen allenfalls sehr moderat erweitert werden.

Die JA wird als Ausbildungszeitschrift für die Erste Juristische Prüfung und das Zweite Staatsexamen die künftige Entwicklung der Ausbildungsreform kritisch begleiten.

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