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Editorial JA 2/2015

RiOLG Holger Krätzschel, München

Ein unbeschriebenes Blatt!


Vor einigen Jahren kam ein Referendar auf mich zu und bat mich um einen Rat. Er hatte von meiner Tätigkeit als Arbeitsgemeinschaftsleiter im Ergänzungsvorbereitungsdienst (»Wiederholer-AG«) gehört und hatte Sorge, dass ihn dieses Schicksal auch ereilen könne. Ich ließ mir schildern, was seiner Meinung nach die Gründe für den ausbleibenden Erfolg waren und wie ein normaler Lerntag für ihn aussah. Besonders bemerkenswert fand ich bei seiner Schilderung, dass er sogar die NJW abonniert hatte. Sein Vater, ein Vorsitzender Richter am Landgericht, hatte sie ihm spendiert, »damit er immer auf dem Laufenden bleibe«. Auf Nachfrage räumte der Referendar ein, dass er die erste Ausgabe komplett gelesen, aber wenig verstanden habe. In der Folgewoche habe er nur noch gelesen, was ihm irgendwie bekannt vorkam, hätte aber auch wenig verstanden. Und noch eine Woche später habe er sich auf das Durchblättern beschränkt. Mittlerweile sammle er neue Ausgaben nur noch und stapele sie auf seinem Schreibtisch.

Ich führe diese Art von Gesprächen gar nicht so selten: Der eine sucht das richtige Buch für die Beschäftigung mit dem Erbrecht, ein anderer will das Strafrecht noch einmal wiederholen und ein Dritter möchte die Anspruchsgrundlagen im Zivilrecht bearbeiten. Und soll man eine Zeitschrift lesen? Und auch noch ein Repetitorium besuchen? Wie viele Klausuren soll man schreiben?

Diese Fragen haben einen gemeinsamen Kern: Welches ist der beste Weg, um die juristische Ausbildung erfolgreich zu absolvieren?

Häufig ist es für Studenten und Referendare dann nicht einfach zu akzeptieren, wenn ich Ihnen sage, dass es den richtigen Weg nicht gibt. Jeder lernt anders, jeder hat andere Vorkenntnisse und Herangehensweisen. Und wenn es nicht den richtigen Weg gibt, dann muss jeder die Dinge für sich ausprobieren und entscheiden. Bei der Auswahl der richtigen Bücher ist das recht einfach: Man setzt sich in der Bibliothek mit den zur Auswahl stehenden Werken hin und prüft, mit welchem man am besten zurechtkommt. Häufig sind sie inhaltlich ganz ähnlich und es ist vielleicht nur das Druckbild, das das eine Buch dem anderen vorzugswürdig macht. Aber genau das muss jeder selbst herausfinden. Deshalb halte ich mich mit Empfehlungen immer zurück.

Was sinnvoll ist: Denken Sie möglichst oft und intensiv über das Lernen nach. Was funktioniert bereits, was nicht, was lässt sichverbessern?

In einem Buch, das sich mit Lehr- und Lerntechniken beschäftigt, las ich vor einiger Zeit, dass der Prozess des Lernens mit dem des Atmens verglichen werden kann: Man muss ein-, aber auch ausatmen. Nur einatmen ginge ebenso wenig, wie immer nur ausatmen. Deswegen bringt es nichts, wenn Studenten und Referendare ein Buch/Skript usw. nach dem anderen lesen,

ohne dass das Gelesene angewendet und geübt wird. Andererseits: Wer gar nichts gelernt hat, wird in der Klausur nicht bestehen können.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für ein unterschätztes Hilfsmittel der Juristenausbildung brechen: Das leere Blatt Papier.

Mit seiner Hilfe wird ausgeatmet. Wer glaubt, er habe die Systematik von Wider- und Drittwiderklage verstanden, kann das schnell überprüfen, indem er eine Gliederung von beiden aufschreibt. Wer sich gerade im Strafrecht mit den Tatbeständen eines bestimmten Abschnitts im StGB beschäftigt hat, kann ebenfalls zB alle Definitionen, die er gelernt hat (besser: gelernt zu haben glaubt), aktiv formulieren. Ganz schnell kann so überprüft werden, welche Definitionen »sitzen« und welche nicht. Diese Methode spart auch noch Zeit: Bei der nächsten Wiederholung müssen nicht mehr alle Definitionen angeschaut werden, sondern nur noch die, die nicht beherrscht wurden. Ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Lernmethode ist, dass die eigene Ausdrucksfähigkeit verbessert wird. Das macht auch durchaus Sinn, denn in vielen Klausuren finden sich Passagen, die sprachlich unbeholfen wirken.

Schließlich sammelt der Lernende so die Erfahrung, dass er vorankommt. Das NJW-Abo aus demBeispiel war für den Referendar auch deshalb so belastend, weil es ihn immer daran erinnert hat, dass er im Rückstand ist. Und dieser (scheinbare) Rückstand in Form eines Zeitschriftenstapels wurde von Woche zu Woche größer, egal wie fleißig er an anderer Stelle war.

Wenn häufig beklagt wird, dass der Stoff in der Juristenausbildung nicht wie in anderen Studiengängen abgeschichtet werden könne, zwingt das jeden Studenten oder Referendar dazu, für sich selbst abzuschichten. Wer sieht, wieviel er zu einem bestimmten Thema aus dem Stehgreif aufschreiben kann, wird den Klausuren deutlich beruhigter entgegensehen.

Und schließlich: Wer so lernt, kann auch gleich das Schreiben mit einem Füllfederhalter trainieren. Eine vernünftige Handschrift – und da bietet sich nun mal der Füllfederhalter vor allen anderen an – ist eine gute Möglichkeit, den Korrektor in den Examensklausuren zu erfreuen. Aber das ist vielleicht ein Thema für ein eigenes Editorial.

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