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Auch EuGH zweifelt an Bestpreisklausel: Wird es jetzt teuer für Booking.com?

Redaktion beck-aktuell
Book­ing.com be­harrt auf der Recht­mä­ßig­keit sei­ner Best­preis­klau­sel. Ein Ur­teil des EuGH dürf­te der Platt­form nicht ge­fal­len, ob­wohl sie die Klau­sel ge­ra­de eu­ro­pa­weit ab­schafft. Book­ing.com hat nicht nur Pro­ble­me mit den Kar­tell­äm­tern. Es wird auch von hun­der­ten deut­schen Ho­te­liers ver­klagt.

Die jahrelangen Rechtsstreitigkeiten um die sogenannten Bestpreisklauseln vor deutschen und niederländischen Gerichten geht weiter. Am Donnerstag entschied der EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Amsterdam hin über deren mögliche Wettbewerbswidrigkeit. Ein Urteil, das Kreise ziehen dürfte, obwohl Booking.com die Klausel gerade – nicht ganz freiwillig – abschafft.

Auf Portalen wie HRS, Expedia oder eben Booking.com können Nutzer und Nutzerinnen Hotels und andere Unterkünfte vergleichen und direkt buchen. Für jede erfolgreiche Vermittlung über die Seite erhält der Betreiber, also Booking.com, vom Hotel eine Provision. Beim Zimmerpreis wird das einkalkuliert, indirekt zahlen also die Buchenden. Wer direkt beim Hotel bucht, muss diese Provision nicht bezahlen. Mit der sogenannten engen Bestpreisklausel in ihren AGB verbot Booking.com es den Hotels aber, Zimmer über eigene Vertriebskanäle günstiger anzubieten als über Booking.com.

In Deutschland setzt der Internetriese die Bestpreisklauseln nicht mehr ein, seit zuerst das Bundeskartellamt und danach der BGH diese Klausel unter Berufung auf europäisches Kartellrecht für unwirksam erklärten, ohne das Verfahren dem EuGH vorzulegen. Doch in anderen Staaten wird die Klausel weiterhin verwendet und auch für Deutschland könnte der Rechtsstreit weiterhin Bedeutung haben.

Booking.com hat das Amsterdamer Bezirksgericht angerufen und verlangt Feststellung, dass die Bestpreisklausel nicht wettbewerbswidrig ist. Widerklagend verlangen aber nach Angaben des Branchenmagazins Gastgewerber-Magazin mittlerweile offenbar mehr als 300 deutsche Hotels Schadensersatz von der Plattform wegen der Verletzung von Wettbewerbsrecht. Nun wollte die Rechtbank Amsterdam vom EuGH wissen, ob die Abrede gegen das europäische Kartellverbot verstößt. Auch die Richterinnen und Richter in Luxemburg haben offenbar Zweifel an der Rechtmäßigkeit der engen Bestpreisklausel (EuGH, Urteil vom 19.09.2024 - C-264/23Booking.com und Booking.com (Deutschland). Es könnte also teuer werden für Booking.com.

Keine bloße Nebenabrede, Freistellung mehr als fraglich

In dem Streit geht es um das Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fallen bestimmte Vorgänge oder Tätigkeiten nicht unter den Verbotsgrundsatz des Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie neutral sind oder sich positiv auf den Wettbewerb auswirken. Das bejaht der Gerichtshof, weil Dienste wie Booking.com Verbrauchern den Zugang zu und den Vergleich von einer Vielzahl von Unterkunftsangeboten ermöglichten. Den Beherbergungsbetrieben ermöglichten sie eine größere Sichtbarkeit.

Wie schon der Kartellsenat des BGH im Jahr 2021 stellt nun aber auch der EuGH fest, dass die Bestpreisklausel keine bloße Nebenabrede ist, die nicht unter das Verbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen würde. Sie könne nicht als objektiv notwendig angesehen werden, um, wie die Plattform argumentierte, treuwidriges Verhalten und "Trittbrettfahren" zu verhindern oder die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Hotelbuchungsplattform zu gewährleisten. Vielmehr sei es Booking.com auch in Staaten, die die Klausel verboten hatten, wirtschaftlich gut ergangen.

Die zweite Möglichkeit, die Bestpreisklauseln aus dem Kartellverbot zu bekommen, wäre über eine sogenannte Freistellung nach der Gruppenfreistellungsverordnung (Nr. 330/2010). Während der BGH eine solche abgelehnt hatte, weil der Marktanteil von Booking.com mehr als 30% betrage (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO), fragt der EuGH nun nach, wie der sachlich relevante Markt für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung zu definieren ist.

Er erinnert daran, dass das vorlegende Gericht genau prüfen müsse, ob andere Arten von Vermittlungsdienstleistungen und andere Verkaufskanäle sowohl aus Sicht der Hotels als auch aus Sicht der Endkunden mit den von Booking.com erbrachten Dienstleistungen austauschbar sind -  auch dann, wenn die Kanäle unterschiedliche Merkmale aufweisen und nicht die gleichen Funktionen für die Suche und den Vergleich von Angeboten bieten. Der Gerichtshof betont, dass die Definition des relevanten Marktes von einer eingehenden Sachprüfung abhängt, die nur das vorlegende Gericht vornehmen könne.

Laut Kartellrechtler Peter Stauber bleiben "jedenfalls enge Bestpreisklauseln zulässig, solange die Plattform nicht marktmächtig ist. Ihr Marktanteil darf also 30% nicht überschreiten", so der Berliner Noerr-Partner. "Bei einer engen Marktdefinition – wie der EuGH dies hier für Online-Hotelbuchungsplattformen in Aussicht gestellt hat – ist dieser Wert schnell erreicht. Dann ist eine enge Bestpreisklausel nur nach einer Einzelfreistellung zulässig. Hierzu müsste die Plattform unter anderem nachweisen, dass die Beschränkungen der Bestpreisklausel unerlässlich sind, um Trittbrettfahrer-Effekte zu vermeiden. Das ist eine hohe Hürde."

Erst als Gatekeeper die Klausel abgeschafft

Nun muss die Rechtbank in Amsterdam also noch einmal ran, und dabei vor allem den deutschen Markt für den Vergleich und die Buchung von Unterkünften noch einmal überprüfen. Dabei wird das Bezirksgericht auch die Einschätzungen des Bundeskartellamts und der Kartellsenate einbeziehen, die bislang nicht sonderlich positiv ausfielen. Auch in Spanien hat das Unternehmen gerade eine Schlappe wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens erlitten. Das dortige Kartellamt hat ein Bußgeld von 314 Millionen Euro unter anderem wegen der Bestpreisklausel verhängt.

Diese Einschätzungen könnten durch die Bewertung einer anderen Institution zumindest gestützt werden. Am 13. Mai 2024 hat die EU-Kommission Booking.com auf die Liste der Gatekeeper im Sinne des Digital Market Acts gesetzt. Nach Art. 5 Abs. 3 DMA dürfen solche Torwächter ihren gewerblichen Nutzern nicht verbieten, ihre Produkte auch zu anderen Preisen oder Konditionen über andere Dienste oder ihre eigenen Vertriebskanäle anzubieten. Bis Mitte November muss Booking.com seine Vereinbarungen anpassen, sonst drohen hohe Geldbußen.

Ende Juni dieses Jahres hat das Unternehmen die Hotels und Unterkünfte, mit denen es arbeitet, nach Angaben des Branchenmagazins Gastgewerbe-Magazin darüber informiert, dass es die Bestpreisklausel auch in den Ländern abschafft, in denen sie bisher noch genutzt wurde. Die Regulierung mächtiger Online-Plattformen durch die EU zeigt also offenbar Wirkung für die Zukunft. Bußgelder von Kartellämtern, aber auch mögliche Schadensersatzansprüche von Hoteliers, die über viele Jahre ihre Angebote nicht frei machen konnten, resultieren aber aus einer langjährigen Praxis, die nun auch der EuGH als mindestens zweifelhaft bewertet hat.

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