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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Anwendung des Stichtagsprinzips bei Ansammlungsrückstellungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 2.7.2014, I R 46/12

 

Auch beim Ausweis von sog. Ansammlungsrückstellungen ist das Stichtagsprinzip zu beachten. Wird deshalb das Rechtsverhältnis, das einer Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegt, über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus (wirtschaftlich) fortgesetzt, ist dieser verlängerte Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungausweis zugrunde zu legen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Für die Bilanzierung von grundsätzlicher Bedeutung ist das in § 242 Abs. 1 HGB festgeschriebene Stichtagsprinzip, nach dem die Bilanz die Verhältnisse des Bilanzstichtags abzubilden hat. Im Zusammenhang mit der Bildung von Rückstellungen gilt dieser Bilanzierungsgrundsatz nicht nur für den Rückstellungsausweis dem Grunde nach; demzufolge ist die bisherige Passivierung aufzulösen, wenn nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag die Gründe für ihre Bildung weggefallen sind. Vielmehr ist – (u.a.) mit Rücksicht auf die Höhe der Rückstellung – der Bilanzausweis jährlich an die Verhältnisse des Bilanzstichtags anzupassen und gegebenenfalls der bisherige Ansatz zu korrigieren.

Auch beim Ausweis von Rückstellungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist (sog. Ansammlungsrückstellung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG 2002), ist das Stichtagsprinzip zu beachten.

Hierum ging es in einem zum BFH gelangten Streitfall. In diesem wurde die Frage aufgeworfen: Welche Auswirkungen hat es auf die Höhe einer Ansammlungsrückstellung, wenn nach Ablauf eines ursprünglich vereinbarten Miet- bzw. Pachtzeitraums eine weitere Nutzung des Miet- bzw. Pachtgegenstands vereinbart wird? Hintergrund ist die Verpflichtung eines Mieters, auf fremdem Grund und Boden errichtete bauliche Anlagen bei Ende des Mietverhältnisses zu beseitigen (§ 556 Abs. 1 BGB).

 

 

Lösung

Nach Auffassung des BFH ist ein verlängerter Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungsausweis zugrunde zu legen. Das war im entschiedenen Sachverhalt der Fall: Das einer Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegende Rechtsverhältnis (hier: Miet- und Pachtvertrag) wurde über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus (wirtschaftlich) fortgesetzt; keine Rolle spielt es, ob diese Fortsetzung durch Änderung des bisherigen Vertrags oder durch Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses erfolgt.

Der BFH geht hierbei auf folgende Frage ein: Ist der laufende Betrieb (und sind damit auch künftige Wirtschaftsjahre) für die Entstehung einer Beseitigungsverpflichtung (hier: Abbruch von baulichen Anlagen) gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG 2002 im wirtschaftlichen Sinne ursächlich? Antwort: Abzustellen ist nicht auf bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre und die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, sondern auf die Verhältnisse des Bilanzstichtags. Da die Regelung nicht das einzelne Vertragsverhältnis, sondern die wirtschaftliche Entstehung der Verpflichtung als maßgeblich erachtet, sei es ausgeschlossen, den vollständigen Rückstellungsausweis (allein) auf den Umstand zu stützen, dass in der Vergangenheit ein Nutzungsrechtsverhältnis abgelaufen ist, nach dem der Nutzungsberechtigte (Mieter oder Pächter) zur Beseitigung der baulichen Anlagen verpflichtet war. Vielmehr sei im Fall der Verlängerung des Nutzungsverhältnisses der in diesem verlängerten Nutzungszeitraum unterhaltene laufende Betrieb des Nutzenden im wirtschaftlichen Sinne für das Entstehen der Abbruchverpflichtung ursächlich. Eine Durchbrechung dieser Regelungszusammenhänge und damit eine Abkehr vom Stichtagsprinzip hätte – so führt der BFH weiter aus – einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.

 

 

Praxishinweise:

  • Die sog. Ansammlungsrückstellung wurde im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 gesetzlich fixiert. Hierin hat der Gesetzgeber für Zwecke des steuerbilanziellen Ausweises (spezialgesetzlich) verfügt:
    – „Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen sind mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG).
    – „Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG 2002).
  • Beide Regeln verdrängen einerseits einen höheren handelsrechtlichen Wertansatz; danach könnte ein für das Handelsrecht vertretener Sofortausweis der künftigen Abbruchverpflichtung steuerrechtlich nicht nachvollzogen werden (§ 5 Abs. 6 EStG). Andererseits lassen die vorgenannten Bestimmungen – soweit sie keine ausdrückliche Anordnung treffen – die Bewertung der Rückstellung nach den GoB unberührt.
  • Die Klägerin hatte auf § 249 Abs. 3 Satz 2 HGB a.F. (heute: § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB) verwiesen: Danach sind Rückstellungen nur aufzulösen, soweit der Grund hierfür entfallen ist (vgl. auch R 31c Abs. 13 EStR 2003; heute: R 5.7 Abs. 13 EStR 2012). Insoweit konnte der BFH offenlassen, ob die Vorschrift nur den Rückstellungsausweis dem Grunde nach regelt. Denn die Vorschrift schließe auch dann, wenn man sie auf die Höhe der Rückstellung bezieht, eine Anpassung bereits gebildeter Rückstellungen entsprechend den geänderten Verhältnissen an den folgenden Bilanzstichtagen nicht aus. Demgemäß sei auch nicht ersichtlich, weshalb sie eine Anpassung der Ansammlungsrückstellung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG 2002 sperren sollte.
  • Auch folgende Verweise ließ der BFH nicht gelten: Der (Teil-)Auflösung bereits gebildeter Rückstellungen stehe das Vorsichtsprinzip entgegen; aufwandswirksame Abschreibungen seien nicht deshalb rückgängig zu machen, weil das Wirtschaftsgut über die ursprünglich vorgesehene Nutzungsdauer hinaus genutzt wird. Letzteres lasse bereits im Ausgangspunkt unberücksichtigt, dass Abschreibungen (soweit § 7 EStG 2002 hierfür nicht typisierende Prozentsätze vorsieht) nicht auf die vorgesehene, sondern auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts vorzunehmen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002). Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund eine fehlerhafte Schätzung dieses Zeitraums auf die durch eine geänderte Nutzungsvereinbarung nach dem Stichtagsprinzip ausgelöste Anpassung des Ansammlungszeitraums (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG 2002) einwirken sollte.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 11/2014

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