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Family Investor Relations – Gebot der Stunde in unsicheren Zeiten

Von Dr. Christian Bochmann, Rechtsanwalt, Flick Gocke Schaumburg (Hamburg), Mitherausgeber der RFamU
Eine wesentliche Energiequelle der Bindungskräfte zwischen Familie und Unternehmen sind Informationen. Denn nur mit hinreichendem Wissen um die Bedürfnisse des Unternehmens und seine Herausforderungen kann die Inhaberfamilie ihre Rolle als Identitätsstifter, Richtungsweiser und Entscheider in Angelegenheiten von herausragender Bedeutung wie etwa der Besetzung des Managements ausfüllen. Informationen dienen dem Abbau von Unsicherheit in Entscheidungssituationen und ermöglichen damit bessere – da informierte – Entscheidungen und zeigen mitunter überhaupt erst Entscheidungsnotwendigkeiten auf. Unsicherheit aber bietet die Gegenwart im Überfluss; das Akronym VUCA (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) werden auch Skeptiker nicht (mehr) als Modebegriff abtun. Es lohnt sich daher ein Blick auf die Rolle des Rechts der Familienunternehmen in diesem Zusammenhang.
Das geschriebene Recht kümmert sich um den Informationsfluss zwischen Inhaberfamilie und Unternehmen nur rudimentär und stiefmütterlich. Je nach Gesellschaftsform hält es Einsichtnahme-, Auskunfts- und Fragerechte bereit und verpflichtet die Geschäftsführung, den Gesellschafterkreis über außerordentliche Entwicklungen situativ zu informieren. Daneben erfüllt der Jahresabschluss auch gegenüber den Gesellschaftern eine Informationsfunktion. Dieser rechtliche Zustand ist völlig unbedenklich, solange die Gesellschafterinnen und Gesellschafter selbst geschäftsführend tätig sind. Sobald aber nicht mehr jeder einzelne Inhaber auch im Management aktiv ist, gelingt der Informationsfluss nicht mehr von selbst. Wissensgefälle stellen sich zwischen geschäftsführenden und bloßen Gesellschaftern ein, aber auch zwischen Gesellschaftern, die im Aufsichtsrat oder Beirat aktiv sind und denen, die es nicht sind, sowie zwischen einfachen Aufsichts- oder Beiräten und der oder dem Vorsitzenden.

Die Risiken eines unzureichenden Informationsflusses zwischen Inhabern und Unternehmen sind gegebenenfalls dramatisch und berühren die großen Herausforderungen von Familienunternehmen: Eine Kernherausforderung aller Familienunternehmen, aber insbesondere von Familienunternehmen mit wachsenden Gesellschafterkreisen und zunehmend zersplittertem Anteilsbesitz besteht darin, Fliehkräften entgegenzuwirken und die Bindung zwischen Inhabern und Unternehmen zu stärken. Denn nur engagierte und involvierte Inhaber können auf lange Sicht eine gute Governance verbürgen. Unabhängig von der Sichtweise auf das Verhältnis von Eigentümern und Geschäftsleitern – Principal/Agent oder Stewardship –, besteht doch Einigkeit, dass Passivität und Unwissen der Inhaber über kurz oder lang zu schwach besetzten Kontrollgremien und ineffizientem Management führen und damit den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gefährden. Mangelndes Verständnis für das Geschäftsmodell und die Märkte des Unternehmens sowie die – historisch maßgeblich von der Inhaberfamilie geprägte – Unternehmenskultur werden es zudem schwieriger machen, die notwendigen Mehrheiten auch für „harte“ Entscheidungen zu finden. Das gilt insbesondere für Entscheidungen mit langfristigem (Investitions-) Horizont zulasten kurzfristiger Renditeinteressen. Ist es für die Inhaber-Geschäftsführerin selbstRecht der Familienunternehmen RFamU 7/2022 297 verständlich, ihre persönlichen monetären Interessen hinter die finanziellen Bedürfnisse des Unternehmens zu stellen, kann dies für gering beteiligte passive Gesellschafter ohne profundes Verständnis vom Unternehmen und ohne Selbstverständnis gerade als Familienunternehmerin alles andere als selbstverständlich sein. Passivität und fehlendes Engagement führen zudem nicht zu „Ruhe“ im Gesellschafterkreis, sondern machen diesen konfliktanfälliger. Denn wenn das Selbstverständnis als Unternehmerfamilie, das sich nun einmal aus der Verbindung zu den gemeinsamen unternehmerischen Aktivitäten speist, schwindet, wenn aus der Gesellschafterposition ein bloßes „Investment“ wird, dann leidet naturgemäß die langfristige Hingabe- und Kompromissbereitschaft.

Das geschriebene Recht sieht, wie bereits angesprochen, im Ausgangspunkt nur Eckpfeiler vor: Rechnungslegung und Informationsrechte. Letztere sind zwar insbesondere in der GmbH und im (modernisierten) Personengesellschaftsrecht auf den ersten Blick sehr weitgehend und insbesondere nicht von der Darlegung spezifischer Informationsbedürfnisse abhängig. Sie gewährleisten aber von Rechts wegen keinen strukturierten und kontinuierlichen Informationsfluss, sondern müssen vom Gesellschafter eingefordert werden – womit bereits der Kern für Misstrauen und Differenzen gelegt sein kann. Zudem sind die gesetzlichen Informationsrechte nicht ohne weiteres geeignet, den individuellen Informationsbedarf zu decken und (Entscheidungs-)Unsicherheit effektiv abzubauen. Denn der Wert von Informationen hängt ganz wesentlich vom Vorwissen und Verständnishorizont des Empfängers ab, und praktisch jede Information zieht Folgefragen nach sich (zum Ganzen monografisch Roth Das einheitliche Recht auf Information, 2006, S. 47 ff. und passim). Das Recht trägt dem nur unzureichend Rechnung, weshalb die „Kommunikation“ zwischen Unternehmen und Gesellschaftern über die gesetzlichen Informationsrechte leicht zum inhaltsleeren – und konfliktverschärfenden – Ping-Pong-Spiel werden kann.

Fazit: Die Rolle der Kommunikation zwischen Inhaberfamilie und Unternehmen ist zu bedeutend, um sie dem Zufall und dem geschriebenen Recht zu überlassen. Aber auch das individuelle Geschick der jeweils gegenwärtigen Akteure, das Informationsgefälle insbesondere im Verhältnis zu geringer beteiligten Gesellschaftern zu überbrücken, sollte nicht dazu verleiten, diesen Zustand als zukunftsfest anzunehmen. Sobald Geschäftsführung und Inhaberschaft nicht mehr in einer Hand vereint sind, stellt sich damit für jede Inhaberfamilie die Frage nach einer strukturierten und kontinuierlichen Kommunikationsstrategie im Verhältnis zum Unternehmen – nach einer Family Investor Relations-Strategie. Gängige Bei- und Aufsichtsratsstrukturen enthalten ganz typischerweise zentrale Elemente einer solchen Kommunikationsstrategie, indem sie den Wissensfluss bündeln und professionalisieren. In gewisser Weise werden aber auch damit neue Herausforderungen geschaffen, da das Informationsmonopol der Geschäftsleitung letztlich zusammen mit dem Bei-/Aufsichtsrat zum Informationsoligopol wird.

Folgende zentrale Fragen sind bei der Erarbeitung einer Family Investor Relations-Strategie zu erwägen: Auf welchen Ebenen – Geschäftsführung, Aufsichtsgremium, Gesellschafterkreis – bestehen welche Informationsbedürfnisse? Welche Informationen können und sollen welcher Ebene zur Verfügung gestellt werden? Diese Frage hat sowohl aufseiten des Unternehmens als Informationsgeber wie auch aufseiten der Informationsempfänger eine quantitative und eine qualitative Komponente. Auf der Hand liegt die quantitative Frage, welche Menge an Informationen überhaupt generiert und verarbeitet werden kann und sollte. Wichtiger ist aber die qualitative: Was kann – im Sinne des Abbaus von Entscheidungsunsicherheit – verstanden und bewertet werden? Ist es gegebenenfalls notwendig, (Nachfolge-)Gesellschaftern zunächst einmal die notwendigen Voraussetzungen zu vermitteln (Stichwort „Shareholder Education“)? Zwischen welchen Akteuren verläuft die Kommunikation? In welchen Formaten soll kommuniziert werden? Nach welchen Kriterien wird der Informationsfluss – der Umfang, der Zeitpunkt und das Format – abgeschichtet (daily business – möglicherweise relevant – Kernbereich des Verhältnisses zur Unternehmerfamilie)?
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