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„Digital Legal Counsel“

Von Jörg Vocke,
Digitalisierung verändert fast alle Lebensbereiche und damit auch das Arbeitsumfeld und die Aufgaben von Unternehmensjuristen. Fragen an Jörg Vocke, General Counsel des Bereichs Digital Industries bei der Siemens AG und Leiter der Fachgruppe Digitalisierung des Bundesverbands der Unternehmensjuristen (BUJ).
RDi_07_Interview_Vocke_WEBRDi: Welche digitalen Grundkenntnisse braucht jeder Unternehmensjurist?

Vocke: Digitale Grundkenntnisse sollten Unternehmensjuristen vor allem in Bereichen haben, die in ihrer Beratungspraxis relevant sind. Dies können etwa sein: Kenntnisse über die Cloud-Computing, künstliche Intelligenz, datengetriebene Geschäftsmodelle, Influencer- und Search Engine-Marketing oder agile Softwareentwicklung. Um Syndizi mit dem nötigen Rüstzeug zu den wichtigsten technischen und rechtlichen Fragestellungen auszustatten, bietet der BUJ daher seit vielen Jahren den Zertifikats-Lehrgang „Digital Legal Counsel“ an. Ferner sind fundierte Kenntnisse zu im Unternehmen eingesetzter Office Software und von Legal-Tech-Anwendungen unabdingbar.

RDi: Welches Potenzial hat der Einsatz von Digitaltechnik oder Legal Tech für Inhouse- Juristen?

Vocke: Der Einsatz von Legal Tech hat die Welt von Unternehmensjuristen grundlegend verändert und wird dies weiter tun. Ein Großteil der in einer Rechtsabteilung eingesetzten Arbeitsmittel ist inzwischen digitalisiert, etwa die Akten des Syndikus, die juristische Bibliothek oder das Vertragsarchiv des Unternehmens. Über Workflow-Tools oder Schnittstellen können die IT-Systeme der Rechtsabteilung mit den IT-Systemen anderer Unternehmenseinheiten wie Vertrieb und Rechnungswesen verknüpft werden. Dies steigert die Effizienz der Rechtsabteilung deutlich. Es gibt zudem erste Anwendungsfelder für künstliche Intelligenz, vor allem bei der Auswertung großer Datenbestände. Dies kann im Bereich M&A bei der Durchführung einer Due Diligence sehr hilfreich sein.

RDi: Lassen Sie uns über die einzelnen Bereiche sprechen: Welchen Stellenwert haben IT-Sicherheit und Cloud-Computing? Und sind Blockchain, Smart-Contracts und KI noch Theorie oder schon in der Praxis angekommen?

Vocke: IT-Sicherheit ist eine conditio sine qua non für die digitalisierte Rechtsabteilung. Ohne ein adäquates „Defense in Depth“-Konzept, ein auf mehreren Komponenten beruhendes IT-Sicherheitskonzept, kann IT-Sicherheit nicht gewährleistet werden. Blockchain und Smart-Contracts führen im Wesentlichen noch ein Nischendasein. KI hingegen spielt eine immer größere Rolle. Im Bereich Predictive Maintenance von Fabrikanlagen, beim autonomen Fahren oder bei Tools zur Bewertung von Kreditnehmern kommt KI bereits heute zum Einsatz. Daran knüpfen wichtige rechtliche Aspekte wie Diskriminierungsfreiheit, Haftung für KI und ethische Grundsätze für KI an.

RDi: Wie können sich Inhouse-Juristen in Digitalisierungsprojekte ihres Unternehmens einbringen?

Vocke: Inhouse-Juristen sollten sich bei Digitalisierungsprojekten ihres Unternehmens möglichst frühzeitig aktiv einbringen. Mit der Architektur von digitalen Lösungen und der Auswahl der eingesetzten Softwarekomponenten werden Weichenstellungen vorgenommen, die auch rechtlich sehr relevant sind, beispielsweise der Schutz personenbezogener Daten, Schutz des geistigen Eigentums oder Haftung für IT-Sicherheitsrisiken. Nur wenn die Rechtsabteilung frühzeitig eingebunden wird, können rechtliche Risiken rechtzeitig identifiziert und durch entsprechendes Design der Applikation sowie vertragliche Vereinbarungen mit Lieferanten und Nutzern angemessen beherrscht werden.

RDi: Macht der Datenschutz tatsächlich den bürokratischen Aufwand, wie allseits beklagt wird?

Vocke: So begrüßenswert ein internationaler Standard im Bereich Datenschutz ist, muss die DS-GVO doch fortlaufend reformiert werden, um mit der technischen Entwicklung Schritt und den bürokratischen Aufwand in Grenzen zu halten. Ein Beispiel ist die Einwilligungserklärung der „betroffenen Person“, die jeder Bürger beim Arztbesuch unterschreibt, ohne sie zu gelesen zu haben. Hier muss nach weniger bürokratischen Lösungen gesucht werden, gerade auch im B2B-Bereich, wo die betroffene Person oft unbekannt und jedenfalls nicht der Vertragspartner ist. Ferner erschwert die derzeitige Form der DS-GVO die Entwicklung und den Einsatz von Big Data Applikation erheblich. Angesichts des mit derartigen Tools häufig erzielbaren Mehrwerts ist auch hier eine Fortentwicklung der DS-GVO erforderlich.

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