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Die Tücken des noch nicht elektronischen Rechtsverkehrs - NZI 12/2022

Professor Ulrich Keller, Berlin
Mit dem seit 1.1.2022 geltenden § 130d ZPO werden auch für das Insolvenzverfahren Anwälte und Behörden verpflichtet, Anträge und Schriftsätze ausschließlich auf elektronischem Übermittlungsweg nach § 130a ZPO an das Gericht zu übermitteln. Das ist wie auch in anderen gerichtlichen Verfahren auch dann verpflichtend, wenn bei Gericht die elektronische Akte noch nicht eingeführt ist. Der Gesetzgeber hofft, dass dies bis zum 1.1.2026 der Fall sein wird (§ 298 Ia 1 ZPO). Das führt dazu, dass bei Gericht die elektronisch übermittelten Schriftsätze ausgedruckt werden müssen, manche Gerichte mussten dafür neue Hochleistungsdrucker anschaffen. 
Keller_UlrichAber auch wenn Nachweise in Papierform vorgelegt werden müssen, führt § 130d ZPO zu einem sog. Medienbruch, etwa im Vollstreckungsrecht bei der Notwendigkeit der Vorlage der Vollstreckungsunterlagen an den Gerichtsvollzieher (§ 754 ZPO).

Im Insolvenzverfahren herrscht nun Unklarheit darüber, ob § 130d ZPO auch für den Insolvenzverwalter gilt, wenn er mit dem Insolvenzgericht korrespondiert, Zwischenberichte abgibt oder die Schlussrechnung nebst Belegen und Kontennachweisen vorlegt. Da es sich hier nur teilweise um Verfahrensanträge handelt, sollte § 130d ZPO keine Anwendung finden. Auch übermittelt der Insolvenzverwalter die Berichte uä nicht in seiner Tätigkeit als Anwalt; wenn er kein Anwalt ist, gilt § 130d ZPO ohnehin nicht. Gleichwohl ist er nicht gehindert, Berichte und Unterlagen über das „beA“ (§ 130a IV 1 Nr. 2 ZPO) zu übermitteln. Das Insolvenzgericht, das noch keine elektronische Akte führt, muss sie dann ausdrucken. So können aus einem Schreiben, das bislang aus einer Seite bestand, einschließlich der Übermittlungsnachweise schnell vier Seiten werden, die die Akte füllen. Papier wird mit der elektronischen Übermittlung zunächst nicht gespart, vielleicht ab 1.1.2026.
Und wie sieht es mit der Übermittlung der Insolvenztabelle aus? § 174 IV InsO ermöglicht schon seit 1.4.2005 die Forderungsanmeldung in elektronischer Form. Für die Übermittlung der Insolvenztabelle nach § 175 I 2 InsO an das Gericht fehlt es zu-meist aber an einer Schnittstelle zwischen den unterschiedlichen Softwareprogrammen des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgerichte, wobei die Länder auch unterschiedliche Programme, sog. Fachverfahren, nutzen. Damit muss die Tabelle bei Gericht auch weiterhin in Papierform geführt werden; Feststellungsvermerke und Widersprüche werden weiterhin manuell eingetragen (soweit nicht bereits vom Verwalter vorgedruckt) und geändert, auch künftig werden Stempel und Stempelkissen benötigt.
Unter den zahlreichen Gesetzen zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs – zuletzt im Oktober 2021 zum Zustellungsrecht nach §§ 166 ff. ZPO – stellt die Pflicht zur elektronischen Übermittlung einen Meilenstein dar. Solange aber bei den Gerichten die elektronische Akte nicht eingeführt ist und Unterlagen und Nachweise weiterhin nur in Papierform übermittelt werden, können oder müssen (vgl. Legitimationswirkung im Vollstreckungsrecht), führt § 130d ZPO zu mehr Papier und nicht zu mehr Effizienz. Wann der Wunsch nach der elektronischen Akte auch im Insolvenz-verfahren Wirklichkeit werden wird, weiß noch niemand.
 

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