Rechtsanwalt Dr. Philipp Byers, Dentons, München
Heft 15/2023
Bislang gibt es kaum Rechtsprechung, die sich mit der Zulässigkeit von Mitarbeiterkontrollen seit Geltung der DS-GVO auseinandergesetzt hat. Daher wurde mit Spannung das aktuelle BAG-Urteil zur Thematik „Beweisverwertung bei Videoüberwachung“ erwartet (BAG 29.6.2023 – 2 AZR 296/22, PM 31/32, NZA-aktuell Heft 13/2023, S. VI). Das BAG hat entschieden, dass Aufnahmen aus einer offenen Videoüberwachung – auch wenn sie den datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht entsprechen – als Beweismittel herangezogen werden dürfen, um Fehlverhalten eines Mitarbeiters zu beweisen.
Dies hatte das LAG Niedersachen als Vorinstanz noch anders gesehen (LAG Niedersachsen 6.7.2022 – 8 Sa 1148/20, NZA-RR 2022, 632): Danach durften die Aufzeichnungen, die einen Arbeitszeitbetrug belegen sollten, nicht verwertet werden. Die Überwachung habe gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, da die festgelegte Aufnahmespeicherdauer von 96 Stunden überschritten worden sei. Zudem habe eine Betriebsvereinbarung geregelt, dass die Aufzeichnungen nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürfen. Das LAG Niedersachsen bejahte daher ein Beweisverwertungsverbot, das zur Unwirksamkeit der Kündigung führte. Das BAG erteilte der Vorinstanz eine klare Absage und setzte seine bisherige Rechtsprechung fort. Schon vor Geltung der DS-GVO hatte das BAG verdeutlicht, dass „Datenschutz kein Tatenschutz“ ist und Beweisverwertungsverbote nur bei gravierenden Datenschutzverstößen in Betracht kommen (BAG 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329). Auch Verletzungen gegen die betriebliche Mitbestimmung führten nach dem BAG bisher nicht zu einem Verwertungsverbot (BAG 13.12.2007 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 1008). Für ein Beweisverwertungsverbot war es vielmehr erforderlich, dass unverhältnismäßig in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wurde (BAG 20.6.2013 – 2 AZR 546/12, NZA 2014, 143). An dieser Linie hält das BAG auch nach Inkrafttreten der DS-GVO fest. Danach wird weiterhin ein Verwertungsverbot nur bei unverhältnismäßigen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht in Betracht kommen. Letztlich wird hier aber der EuGH wohl das letzte Wort haben.
Ungeklärt bleibt die Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung. Aufgrund der Informationspflichten aus Art. 13 DS-GVO wird teilweise angenommen, dass eine heimliche Überwachung nicht mehr möglich sei. Ein ausnahmsloses Verbot würde aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und mithin einer Interessenabwägung eklatant widersprechen, die im Rahmen einer jeden datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung zu beachten sind. Bei einem solchen Verbot würde die Interessenabwägung immer zu Ungunsten des Arbeitgebers ausfallen, ganz gleich welche Motive er bei der verdeckten Kontrolle verfolgt. Eine Interessenabwägung hat aber im konkreten Einzelfall zu erfolgen, sodass absolute Verbote fehl am Platz sind. Auch nach dem BAG war bisher eine heimliche Überwachung in Ausnahmefällen möglich (BAG 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025).
Es bleibt zu hoffen, dass das BAG auch bei der Frage der Rechtmäßigkeit heimlicher Kontrollen seiner bisherigen Linie treu bleibt. Auch bei heimlicher Überwachung darf es keine absoluten Verwertungsverbote geben, denn auch hier gilt: Datenschutz ist kein Tatenschutz!