Arbeitgeber stehen bei innerbetrieblichen Spannungen unter Zugzwang, so das LAG Niedersachsen. Eine Druckkündigung setze dabei aktives Krisenmanagement voraus – bloßes Nachgeben gegenüber der Belegschaft ohne ausreichende deeskalierende Maßnahmen reiche nicht aus. Auch ein Auflösungsvertrag helfe dann nicht weiter.
Das LAG betonte die hohen Hürden für arbeitgeberseitige Kündigungen im Schutzbereich tariflicher Sonderregelungen – wie hier nach § 28 Abs. 3 des einschlägigen Tarifvertrags. Wer betriebliche Konflikte nicht frühzeitig und aktiv angehe, könne sich nicht auf Druck von außen berufen – und bleibe auch bei gerichtlicher Auseinandersetzung in der Defensive (Urteil vom 13.05.2025 – 10 SLa 687/24).
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand eine sog. Druckkündigung eines Angestellten – nach 15-jähriger Dienstzugehörigkeit und Vollendung des 40. Lebensjahres. Dabei verlangten Kollegen des Mitarbeiters – teils unter Androhung eigener Kündigungen – dessen Entfernung aus dem Betrieb: das Arbeitsklima galt bereits seit zehn Jahren als "höchst konfliktbelastet(…)", sämtliche außergerichtlichen Einigungsversuche scheiterten.
Der Geschasste nahm die Kündigung sowie den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag des Betriebs allerdings so nicht hin und zog vor Gericht. Mit Erfolg: Das LAG ließ die fristlose Kündigung der Unternehmerin mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes sowie den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag abblitzen.
LAG weist Arbeitgeber in die Schranken
Eine Druckkündigung, so die niedersächsischen Richterinnen und Richter, sei nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor alles Zumutbare unternommen habe, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Dazu gehöre, sich "schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen" und aktiv zu deeskalieren. "Ein derart planvolles und aktives Handeln ist im Streitfall nicht erkennbar", monierte die Kammer. Maßnahmen wie interne Schreiben, eine Bereichsversammlung oder ein vage gebliebenes Mediationsangebot reichten dem LAG nicht aus. Die Arbeitgeberin habe nicht überzeugend dargelegt, welche konkreten Bemühungen sie unternommen habe, um das Arbeitsklima zu verbessern – auch weil ein ernsthafter Versuch einer Mediation fehlte.
Auch außerhalb der Drucksituation vermochte das Gericht keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu erkennen. Zwar lag ein seit Jahren konfliktbelastetes Arbeitsverhältnis vor, jedoch fehlten konkrete Pflichtverletzungen oder eine einschlägige Abmahnung. Soweit die Arbeitgeberin auf vergangene Versetzungen oder Konflikte verwies, sei dies ohne aktuelle Eskalation nicht ausreichend. Der Kläger habe sich zudem nicht grundsätzlich einer Mediation verweigert.
Kein Auflösungsantrag bei unwirksamer fristloser Kündigung
Zudem biete eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Ausweg, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen sei. Selbst wenn der Arbeitgeber nachvollziehbare Gründe für eine Trennung sehe, bleibe ihm der Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG versperrt, sofern die Kündigung unwirksam ist. Dieser Ausschluss sei vom Gesetzgeber gewollt: Dieser "(…) betrachte(..) eine unwirksame außerordentliche Kündigung als besonders schwerwiegenden Eingriff, der nicht nachträglich durch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses legitimiert werden kann." Eine analoge Anwendung der Vorschrift sei nicht möglich, selbst wenn das ordentliche Kündigungsrecht tariflich ausgeschlossen sei (Urteil vom 13.05.2025 - 10 SLa 687/24).
Aus der Datenbank beck-online
LAG Nürnberg, Druckkündigung erfordert vorheriges aktives arbeitgeberseitiges schützendes Handeln, NZA-RR 2024, 273 (mit Anmerkung von Fuhlrott)
BAG, Auflösungsantrag des Arbeitgebers bei Ausschluss des Kündigungsrechts, NZA 2011, 349
BAG, Außerordentliche Druckkündigung – Änderungskündigung, NZA 1996, 581
BAG, Voraussetzungen für betriebsbedingte Druckkündigung, NZA 1987, 21