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Eine Buddel voll Nichts: Alkoholverbot bedeutet keinen Bereitschaftsdienst für Kapitän

LAG Hamburg
Einem Ka­pi­tän war die Frei­zeit an Bord sprich­wört­lich zu tro­cken - da er kei­nen Al­ko­hol trin­ken durf­te, emp­fand er die freie Zeit an Bord prak­tisch als Be­reit­schafts­dienst. Mit über 100.000 Euro woll­te er sich die­sen rück­wir­kend ver­gü­ten las­sen. Doch das ArbG und LAG Ham­burg lie­ßen ihn auf­lau­fen.

Betreibt eine Reederei aus Sicherheitsgründen eine Null-Toleranzpolitik für Alkohol, ist die Freizeit ohne Alkoholkonsum kein vergütungspflichtiger Bereitschaftsdienst. Die Rechtsprechung des EuGH zu Bereitschaftszeiten nach Arbeitszeitrichtlinie findet auf Seeleute keine Anwendung. So entschied das LAG Hamburg im Falle eines Seemanns (Urteil vom 13.11.2024 – 7 SLa 16/24).

Seit 2007 war der Kapitän bei der beklagten Reederei angestellt, bis er im März 2022 eine unwillkommene Mail seiner Personalabteilung erhielt. Er hatte angefragt, ob er außerhalb seiner Arbeitszeit an Bord Alkohol trinken dürfe. Die internationale Reederei antwortete mit klarer Linie: Sie betreibe eine Null-Toleranz-Politik für Alkohol, die zwar nach deutschem Recht nicht vorgeschrieben, aber sehr wohl rechtskonform sei. Grund dafür sei, dass die Besatzung besser auf Notfälle reagieren bzw. schneller ihre Tätigkeit wieder aufnehmen könne.

Daraufhin forderte der Kapitän von seiner Arbeitgeberin die Vergütung vergangener alkoholfreier Freizeiten zum Mindestlohn – 11.120 Stunden für eine Summe von über 108.000 Euro. Seine Forderung scheiterte zunächst vor dem ArbG Hamburg. Nun hat das LAG Hamburg auch seine Berufung abgewiesen.

Hinweis auf Alkoholverbot ist keine Weisung zur Bereitschaft

Wie die 7. Kammer das LAG erklärte, war der Kapitän nicht erst durch die Mail der Personalerin zur Abstinenz an Bord verpflichtet. Darin habe sie lediglich vorgeschlagen, das generelle Alkoholverbot auch ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufzunehmen; bisher hatte es nur in einem Anhang gestanden. In der Mail sei keine neue Anordnung des Verbots zu sehen – so das LAG. Schon der Heuervertrag habe den Alkoholkonsum an Bord in einer Linie mit der Unternehmenspolitik verboten.

Die Kammer räumte ein, dass das Alkoholverbot durchaus die Freizeitgestaltung an Bord einschränke. Es liege in der Natur der Sache, dass die Besatzung ständig an Bord des Schiffes anwesend zu sein habe, schließlich sei das auch eine notwendige Folge ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Im Falle des Alkoholverbots solle die Einschränkung der Freizeit aber die Sicherheit an Bord gewährleisten, und gerade nicht nur sicherstellen, dass der Kapitän dauerhaft einsatzbereit sei. Einen Bereitschaftsdienst begründe das somit noch nicht.

Seeleute sind ein Sonderfall

Selbst wenn die Mail der Personalabteilung einen Bereitschaftsdienst angeordnet hätte, wäre dieser nicht zu vergüten gewesen, so das LAG. Der Arbeitsvertrag enthalte dazu nämlich keine Regeln, und auch der zugrunde liegende Heuertarifvertrag (HTV-See) sehe das nicht vor. Bei Letzterem sei bereits berücksichtigt worden, dass die Besatzungsmitglieder eines Seeschiffs ihre Freizeit an Bord verbringen.

Die Rechtsprechung zur europäischen Arbeitszeitrichtlinie (Arbeitszeit-RL, RL 2008/88/EG), wonach Bereitschaftsdienste grundsätzlich als Arbeitszeit zählen würden, stehe der Reederei ebenfalls nicht entgegen. Die Richtlinie unterscheide durchaus zwischen echter Ruhezeit und Bereitschaftszeit, in der der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der EuGH habe dazu festgestellt, dass Bereitschaft immer als Arbeitszeit zähle, da sich Arbeitnehmer außerhalb ihres näheren Umfelds aufhalten müssten und weniger frei über ihre Zeit verfügen dürfen.

Das LAG stellte aber klar: Für Seeleute sind die Arbeitszeitrichtlinien ausdrücklich nicht anwendbar, so Art. 1 Abs. 3 Arbeitszeit-RL ("Diese Richtlinie gilt (…) nicht für Seeleute (…)"). Stattdessen gelte für Seeleute die Vereinbarung zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft (ECSA) und dem Verband der Verkehrsgewerkschaften der Europäischen Union (FST) von 1998. Diese "Sozialpartnervereinbarung" regelt die Arbeitszeit von Seeleuten seit 1999 auch auf EU-Ebene. Diese sehe im Wortlaut jedoch allenfalls vor, dass "bei Bereitschaftsdienst – wenn z.B. ein Maschinenraum unbesetzt ist – (…) dem Seemann eine angemessene Ruhezeit als Ausgleich zu gewähren" sei, und das auch nur, "sofern die normale Ruhezeit durch Aufrufe zur Arbeit gestört wird". Deshalb lasse sich auch hieraus nicht ableiten, dass Kapitäne unter Alkoholverbot einen Anspruch auf Vergütung ihrer Bereitschaft hätten (Urteil vom 13.11.2024 - 7 SLa 16/24). 

Aus der Datenbank beck-online

Lunk, Die arbeitszeitrechtliche Behandlung von Dienstreisen,  NZA 2022, 881

Boemke, Fahrzeiten als Arbeitszeiten, RdA 2020, 65

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