Bei der ersten Schwangerschaft sprach der Arbeitgeber der angestellten Zahnärztin ein erstes (individuelles) Beschäftigungsverbot aus, an das sich nahtlos bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weitere Beschäftigungsverbote wegen Mutterschutzes und Stillzeiten für beide Kinder anschlossen. Sie durfte damit von Dezember 2017 bis Ende März 2020, als das Arbeitsverhältnis endete, durchgehend nicht arbeiten.
Mit ihrer Klage verlangte die Zahnärztin von ihrem Arbeitgeber Abgeltung von 68 Urlaubstagen: Fünf Tage Resturlaub aus 2017, die sie wegen des ersten Beschäftigungsverbotes nicht mehr hatte nehmen können und 63 Tage Urlaub für 2018 und 2019. Etwa 13.000 Euro sollte der Arbeitgeber zahlen, was er aber ablehnte, da nach seiner Ansicht während der Beschäftigungsverbote keine Urlaubsansprüche entstanden sind. Etwaige Ansprüche seien aber jedenfalls verfallen, da § 24 S. 2 MuSchG für während eines Beschäftigungsverbots entstandene Urlaubsansprüche nicht greife. Nach § 24 S. 2 MuSchG kann eine Frau Urlaub, den sie "vor" Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht erhalten hat, nach dem Ende des Verbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
Mit seiner Argumentation drang der Arbeitgeber nicht durch. Wie zuvor schon das ArbG und das LAG gab auch das BAG der Zahnärztin Recht (Urteil vom 20.08.2024 - 9 AZR 226/23). Sie habe Anspruch auf Abgeltung von 68 Urlaubstagen, die sie wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen konnte. Die Urlaubsansprüche seien sämtlich entstanden, da die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 24 S. 1 MuSchG Arbeitszeiten gleichgestellt seien. Die Ansprüche seien auch nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, wonach Erholungsurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss.
Auch während der Beschäftigungsverbote angesammelter Urlaub nicht verfallen
Denn laut BAG hindert § 14 S. 2 MuSchG auch einen Verfall solcher Urlaubsansprüche, die während mehrerer nahtlos aufeinander folgender mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote entstanden seien. Denn bei mehreren aneinander anschließenden Beschäftigungsverboten könne die Arbeitnehmerin ihren angesammelten Urlaub nicht vor Beginn des letzten Beschäftigungsverbots erhalten. Sie könne daher den gesamten bis dahin aufgelaufenen Urlaub nach Ende des letzten Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
Das BAG verweist insbesondere auf den Wortlaut des § 14 S. 2 MuSchG, der voraussetze, dass die Frau ihren Urlaub vor Beginn "eines" Beschäftigungsverbots nicht erhalten hat. Danach spiele es keine Rolle, warum sie vorher keinen Urlaub nehmen konnte. Auch komme es nicht auf die Art des Beschäftigungsverbots an. Maßgeblich sei allein, dass der Urlaub vor Beginn des - jeweils neuen - Beschäftigungsverbots nicht genommen werden konnte. Auch würden so Wertungswidersprüche vermieden, weil die Rechtsfolgen bei sich nahtlos aneinanderreihenden Beschäftigungsverboten dann die gleichen seien wie bei aufeinanderfolgenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten. Ferner entspreche diese Auslegung dem Sinn und Zweck der Regelung sowie unionsrechtlichen Vorgaben (Urteil vom 20.08.2024 - 9 AZR 226/23).
Aus der Datenbank beck-online
BAG, Arbeitnehmer, Erholungsurlaub, Arbeitsleistung, Urlaubsabgeltung, Auslegung, Zeitpunkt, Beendigung, Mindesturlaub, Arbeitspflicht, BeckRS 2024, 31775 (ausführliche Gründe)