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Chaotische Stellenbesetzung am LAG: Verstoß gegen gesetzlichen Richter

BAG
Eine Kam­mer kann zwar auch unter Mit­wir­kung eines ab­ge­ord­ne­ten Rich­ters vor­schrifts­mä­ßig be­setzt sein. Das BAG ver­langt je­doch einen zwin­gen­den Grund für die Ab­ord­nung. Ist ein sol­cher nicht klar er­kenn­bar, ist der ab­ge­ord­ne­te Vor­sit­zen­de nicht ge­setz­li­cher Rich­ter im Sinne des Grund­ge­set­zes.

Das Landesarbeitsgericht Sachsen hatte Schwierigkeiten, für die 4. Kammer einen Vorsitzenden zu berufen. Kurzerhand wurde von einem Landgericht ein Richter dorthin abgeordnet. Dann entspann sich ein Gerangel um die Stelle und ein Konkurrent erwirkte eine erfolgreiche einstweilige Anordnung gegen die Besetzung. Und dann stellte sich noch heraus, dass die Beurteilungsrichtlinien des Freistaats teilweise unwirksam waren. Die Stelle, mittlerweile seit anderthalb Jahren von dem Landgerichtsrichter ausgefüllt, war auch nach mehreren Jahren noch nicht endgültig besetzt. Eine unterlegene Partei in einer Arbeitssache vor der 4. Kammer des LAG nahm diesen Umstand zum Anlass, vor dem BAG im Rahmen der Revision die fehlerhafte Besetzung des Gerichts zu rügen – mit Erfolg.

Die Erfurter Richterinnen und Richter bejahten in ihrer Entscheidung (Beschluss vom 21.11.2023 – 2 AZN 153/23) den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO: Das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Das Bundesverfassungsgericht setze in ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Justiz grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern zu besetzen sei, denn nur die unversetzbaren und unabsetzbaren Richter seien tatsächlich unabhängig.

Die Auskünfte, die der Präsident des LAG zur Besetzung der Kammer erteilt habe, waren dem BAG zufolge in sich widersprüchlich oder unergiebig: So erklärte er der Partei gegenüber, die Abordnung des Berliner Richters sei einem akuten Vertretungsbedarf geschuldet gewesen. Dem BAG gegenüber machte er aber auch eine Erprobung des Richters geltend. Auf den Hinweis der Erfurter Richterinnen und Richter, diese Erprobung bedürfe – gerade wegen des laufenden Besetzungsverfahrens – näherer Erläuterung, übersandte er lediglich einzelne Auszüge der Verwaltungsakten, aus denen sich aber der Hintergrund der Abordnung nicht ergab. Zuvor schon hatte das sächsische Justizministerium auf die Anfrage der Partei hin mitgeteilt, dass diese keinen Anspruch auf Informationen über Stellenbesetzungsverfahren bei einem Landesarbeitsgericht habe.

Angesichts dieser wechselnden Informationslage, so das BAG, könne nicht festgestellt werden, ob tatsächlich ein zwingender Grund für die Abordnung bestand. Ohne das Vorliegen eines zwingenden Grunds sei das Gericht in der streitgegenständlichen mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Das LAG Sachsen muss nun erneut entscheiden (Beschl. v. 21.11.2023 2 AZN 153/23). 

 

Aus der Datenbank beck-online

BVerfG, Besetzung des Gerichts durch abgeordnete Richter, NZS 2023, 457

BVerfG, Grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von Verwaltungsrichtern auf Zeit, NJW 2018, 1935

Windau, Taktische Ablehnungsgesuche und das Recht auf den gesetzlichen Richter, NJW 2018, 3206

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