Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn
Heft 13/2024
Es geht ja doch. Das Kabinett hat sich zu einem Kompromiss durchgerungen und einen neuen § 41 II SGB VI ins parlamentarische Verfahren gegeben: „Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Textform. § 14 IV des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt nicht.“ Bereits vorher hatte man sich drauf geeinigt: Beim NachwG soll auch der digitale Nachweis möglich sein. Aber das würde faktisch ins Leere laufen, wenn nicht auch das Schriftformgebot des Teilzeit- und Befristungsgesetzes angepackt würde; man bräuchte ja dann im Regelfall immer einen schriftlichen Vertrag, sehen doch die meisten Arbeitsverträge eine Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze und damit eine Befristung vor.
Das BAG (z.B. v. 3.9.2003 – 7 AZR 106/03, NZA 2004, 255) sieht den Zweck der Schriftform darin, dass einem Arbeitnehmer „deutlich vor Augen geführt werden [soll], dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des befristeten Vertrags zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann. Außerdem dient das Schriftformerfordernis einer Erleichterung der Beweisführung. Dadurch soll unnötiger Streit über das Vorliegen und den Inhalt der Zeit- oder Zweckbefristung vermieden werden.“
Ob die Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion ebenso durch die Vereinbarung der Befristung in Textform erreicht würde, ist eine faktische und vielleicht auch politische Frage – keine rechtliche. Derartige Erleichterungen sind jedenfalls nicht neu, auch das Bürokratie-Entlastungsgesetz IV rückt exemplarisch für Arbeitszeugnisse von dem Schriftformzwang ab, erlaubt ein neuer § 109 III GewO künftig, dass das Zeugnis „mit Einwilligung des Arbeitnehmers in elektronischer Form“ erteilt werden darf. Ebenso sieht ja § 26 II BDSG bereits eine Einwilligung des Arbeitnehmers in die Datenverarbeitung „schriftlich oder elektronisch“ vor.
Man ist nun behutsam vorgegangen. Für den Sonderfall der Befristung auf die Regelaltersgrenze ist dies mit dem Arbeitnehmerschutz sicherlich vereinbar, ist hier doch nicht eine vergleichbare Beweis- und Warnfunktion wie in anderen Fällen geboten. Denn die Befristung auf die Regelaltersgrenze ist unbestritten nach europäischer Rechtsprechung zulässig (insb. EuGH Urt. v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt), ohne dass es auf betriebsspezifische Umstände ankäme. Der Arbeitnehmer kann ab diesem Zeitpunkt ungekürzt Rente beziehen und ist sozial abgesichert. Das BAG hat diese Befristung erstmals mit Entscheidung vom 25.10.2017 (7 AZR 632/15, NZA 2018, 507) dem Regelungsbereich des § 14 IV TzBfG unterstellt – nicht wenige Stimmen gingen bis dahin davon aus, dass diese Befristung vom Schriftformgebot nicht erfasst ist und insoweit eine teleologische Reduktion geboten sei. Das BAG lehnte dies ab und verwies auf den klaren Wortlaut der Norm und hielt diesen aufgrund der Klarstellungs- und Beweisfunktion auch in diesem Fall für richtig. Anders als die Warnfunktion, die es hier nicht für einschlägig hielt, wird der Klarstellungs- und Beweisfunktion im gleichen Maß durch die Textform entsprochen. Die Konsequenzen dieser Rechtsprechung sind nun systemkonform anzupassen. Gut so! Ein Kompromiss für weniger Bürokratie!