Professor Dr. Stefan Greiner, Bonn
Heft 6/2024
Direktanstellungsgebote haben Konjunktur. Nachdem der Gesetzgeber in der Frühphase der Corona-Pandemie mit § 6a GSA Fleisch einen „Testballon“ gestartet hat, ist mit der Paketbranche nun der nächste Wirtschaftsbereich im Visier: Der Bundesrat hat hier im Mai 2023 (BR-Drs. 117/23) ein grundsätzliches Verbot von Subunternehmerstrukturen gefordert und dies Anfang Februar 2024 in seiner Stellungnahme zum Postrechtsmodernisierungsgesetz (BR-Drs. 677/23) bekräftigt.
Eine Verbesserung behördlicher Kontrollen und die Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung sind durchaus legitime Regelungsziele. Mit dem vorgeschlagenen Regelungsinstrument wären aber brachiale Eingriffe in die Berufsfreiheit verbunden. Die Entscheidung, in welchen Bereichen ein Unternehmen in voller Verantwortung tätig sein will, ist eine klassische unternehmerische Kernentscheidung. Zudem würde das Berufsbild des selbstständigen Kleinunternehmers faktisch abgeschafft. Unter den spezifischen Bedingungen der Paketbranche würde eine Marktzugangshürde errichtet, die – im Widerspruch zur Grundidee des europäischen Binnenmarktes – zu einer Re-Nationalisierung und Re-Monopolisierung des Paketmarktes führen kann. Die scharfen Eingriffswirkungen lassen sich – wie der Verfasser gutachterlich ausgeführt hat – durch die Regelungsziele nicht rechtfertigen.
In den Regierungsentwurf zur Postgesetznovelle (https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/novelle-des-postgesetzes.html) hat daher zu Recht kein allgemeines Subunternehmerverbot Eingang gefunden. Daran sollte festgehalten werden. Stattdessen greift mit dem neu eingeführten Lizenzierungsverfahren (§§ 4, 5 PostG-E) eine individualisierte Zuverlässigkeitsprüfung. Nach dem Referentenentwurf sollten Branchenunternehmen, die in den letzten fünf Jahren zweimal mit einem Bußgeld wegen arbeits- oder sozialversicherungsrechtlicher Ordnungswidrigkeiten iHv mindestens 500 EUR belegt wurden, von der Aufnahme in das Anbieterverzeichnis ausgeschlossen werden. Der nun vorliegende Regierungsentwurf modifiziert dies durch eine sachgerechte Staffelung nach Unternehmensgröße, sodass bei Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten erst 25 unanfechtbare Bußgeldentscheidungen die Konsequenz einer Berufsausübungssperre nach sich ziehen. Auch wurde die Bußgeld-Relevanzschwelle auf 1.500 EUR angehoben. Problematisch bleibt der vergangenheitsbezogene, sanktionierende Blickwinkel, der die Regelung zB von § 21 AEntG oder § 19 MiLoG unterscheidet. Dort kann die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit zukunftsbezogen – etwa durch Einführung eines wirksamen Compliancesystems – nachgewiesen werden. Das setzt richtige Anreize. Man kann den Passus „in der Regel“ (§ 5 I Einls. PostG-E) zwar im gleichen Sinne deuten; der Gesetzgeber wäre dennoch gut beraten, dies durch Angleichung an die genannten Normen klarzustellen.
Mit der nun deutlich verbesserten Ausgestaltung zeigt das federführende BMWK grundrechtliches Augenmaß und Bewusstsein für die hohe Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zu hoffen bleibt, dass sich die politischen Akteure im weiteren Verfahren daran orientieren und sich durch die ebenso populären wie problematischen Forderungen des Bundesrats nicht beirren lassen.