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NZA Editorial

 

Standort- und Beschäftigungszusagen ein Auslaufmodell?

Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Burkard Göpfert, München

Heft 22/2023

Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 22/2023 Burkard GöpfertMit Wucht steht der „Standort Deutschland“ in seinem Kern in Frage: Chemie, Stahl, Anlagenbau, Automobil. Die enorm gestiegenen Energiekosten gehen mit Demographie, Fachkräftemangel und Bürokratie eine toxische Verbindung ein. Die aggressive Biden-Gesetzgebung (Inflation Reduction Act) entzieht Europa sukzessive die industrielle Basis. Substanzielle Standort- und Beschäftigungszusagen der deutschen Industrie, teilweise bis 2032 (also weit über die nächsten Betriebsratswahlen hinaus) werden allerorts überprüft und erweisen sich als kaum mehr erfüllbar. Neue abzuschließen, so verständlich die Forderung ist, wird eine unternehmerische Herausforderung. Hier muss man zwei entscheidende Fragen stellen:  

1. Sind beschäftigungssichernde Aussagen als Bestandteil der gewerkschaftlichen Tarifpolitik (und der dort geradezu überlebensnotwendigen Mitgliederbindung und -werbung) angesichts der dramatischen Umbrüche wirklich noch tragfähig? Hier wird man die bisherigen Ansätze (zB das „Pforzheimer Modell“) weiter entwickeln müssen. Das Wiederaufleben von Forderungen nach Sonderregelungen für Mitglieder ist hier sicher ein erster Hinweis und die Tarifpartner werden hier auch bekannte Lösungen („Inzell“ als Beispiel) weiterdenken müssen.

2. Auf Unternehmensseite wird man künftig an der Vergangenheit orientierte – „bewahrende“ – Beschäftigungszusagen entsprechende Versprechungen noch strenger an Business Judgement Rule messen müssen; harte Standort- und Beschäftigungssicherung werden zunehmend schwer vertretbar sein.

Wo also geht die Reise hin? Hier sehe ich drei Wege:

1. EBIT-bedingte Bestandsklauseln: Mindest-Erfolgsziele für die Geschäftseinheiten definieren Jahr für Jahr als transformationsbezogenes Erfolgsziel den Konzernfortbestand der Einheit und die Anwendung von Beschäftigungsaussagen. 

2. Monitoring-Prozess-gestützte Entwicklungsklauseln: Standortentwicklungs- und Zielbilderprozesse (https://kliemt.blog/2021/03/30/zukunftssicherung-durch-zukunftsvereinbarung/) gewinnen „Glaubwürdigkeit“ indem ein externer „Monitor“ eingesetzt wird, der in regelmäßigen Berichten an den Aufsichtsrat den Stand der Transformationsprozesse berichtet und aufgrund entsprechender Erfahrungen Hinweise gibt. Dieser Weg hat sich gerade in M&A-Prozessen (PE-Transaktionen und damit einhergehende „Best Owner“-Vereinbarungen) bewährt. 

3. Gesprächsregelungen für die Zeit nach Durchführung einer Sanierung: Wenn diese Instrumente nicht angezeigt sind, etwa weil die Umbruchssituation derart gravierend ist, können Gesprächsverpflichtungen der letzte Ausweg sein. Dazu bieten sich entweder Verfahren nach §§ 92a, 97 BetrVG an („Dialog am Standort“, https://kliemt.blog/2021/03/30/zukunftssicherung-durch-zukunftsvereinbarung/) oder man vereinbart für die Zeit nach einer Transformation/Sanierung zeitnah Gespräche über eine dann belastbare Beschäftigungssicherung aufzunehmen. 

DownloadDas mag schwach klingen, gibt aber leider die Situation vieler Unternehmen durchaus realistisch wieder. 

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