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NZA Editorial

 

Der Kuss-Skandal, ein System – Lehren für Unternehmen

Special Counsel Dr. Nadine Kramer und Associate Maximilian Luca Schunder, Covington & Burling LLP, Frankfurt a. M.

Heft 18/2023

Foto Autor NZA-Editorial 18/2023, Maximilian Luca SchunderFoto Autorin NZA-Editorial 18/2023, Dr. Nadine KramerDie Szene ging, begleitet von heftigen Protesten, um die Welt: der unfreiwillige Kuss von Jennifer Hermoso durch den spanischen Verbandschef Luis Rubiales. Aktuellen Presseberichten zufolge hat sie deswegen Strafanzeige gestellt. Rubiales ist zurückgetreten, weil er nun seine Arbeit nicht ordnungsgemäß ausüben könne. Also, Strafrecht ist klar ein Thema. Aber wozu ein Editorial in der NZA? Die „falsche“ Zeitschrift ausgewählt? Mitnichten.

Der Sachverhalt ist arbeitsrechtlich relevant. Ein wesentlicher Aspekt bildet das Verbot der Benachteiligung, etwa bezogen auf die Beschäftigungsbedingungen, die durch eine sexuelle Belästigung erreicht wird. So bestimmt § 3 IV AGG, „sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts“ sind diskriminierend. Regelmäßig kommen aufgrund eines Ereignisses die Versäumnisse der Unternehmen bei der Prävention auf. So auch hier. Aktuellen Berichten zufolge, u.a. der New York Times, haben Mitglieder des spanischen Frauenfußballteams eine Atmosphäre beschrieben, in der sie über Jahre hinweg viele (indirekte) Hinweise erlebten, dass sie als Frauen in den Augen der  Spitzenfunktionäre ihren Platz kennen sollten. Wieder ein typisches, überkommen geglaubtes, Stereotyp: Frauen haben nichts zu sagen, sondern nach der männlichen Pfeife zu tanzen. Henrik Ibsens „Nora“ lässt grüßen. Mehr als ein Dutzend im spanischen Fußball tätige Frauen berichteten von über einem Jahrzehnt systematischen Sexismus. Dieser äußerte sich durch Bevormundung und beiläufige Bemerkungen bis hin zu Beschimpfungen. Die Frauen berichteten von Kontrollen vor dem Schlafengehen und der Anweisung, ihre Hoteltüren nachts einen Spalt breit offen zu lassen. Leider bestätigen auch jüngere Entscheidungen solche Phänomene hierzulande (vgl. etwa LAG Köln Urt. v. 3.3.2023 – 6 Sa 385/21).

Treten solche systematischen Belästigungen zu Tage, hat der Arbeitgeber idR seine Pflicht verletzt, die erforderlichen präventiven Maßahmen zu ergreifen (§ 12 I, II AGG). Die Einzelfälle dürften aufgrund der systematischen Benachteiligung von Frauen zudem ein Verstoß gegen § 15 I, II AGG darstellen. Was bedeutet dies? Unabhängig von der fremden Rechtsordnung, könnten national- und europarechtlich die Betroffenen von dem Fußballverband Schadenersatz und Entschädigung verlangen. Nicht nur vor dem Hintergrund der drohenden Haftung, sondern auch naheliegender Reputationsschäden, ist der Arbeitgeber gut beraten, wenn solche oder ähnliche Sachverhalte virulent werden, im Rahmen seines Compliance-Systems eine Investigation durchzuführen. Zudem sind repressive Maßnahmen zur Unterbindung künftiger Verstöße zu ergreifen. Das verlangt das AGG. Insbesondere Sanktionen gegenüber den jeweils belästigenden Arbeitnehmern sind verpflichtend (§ 12 III AGG). Was bei völlig uneinsichtigen Arbeitnehmern geeignet ist, bleibt Abwägungsfrage. Präventive Maßnahmen sind aber noch wichtiger, um von vorneherein compliant zu sein. Dazu gehören zuvörderst das Schaffen von awareness, was sind verbotene Handlungen etc, durch Erlass entsprechender Policies, Schulungen und Trainings, deren Absolvieren verpflichtend und sogar vergütungsrelevant sein könnten, sowie ein entsprechendes Monitoring durch die Compliance-Abteilung (im Einzelnen Bauer/Schunder NZA 2022, 1368).

Wird dem entsprochen, bestehen gute Chancen, dass sich die Arbeitswelt insofern zum Besseren ändert.

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