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NZA Editorial

 

Kurskorrektur bei arbeitsgerichtlicher Videoverhandlung

Präsident des LAG Baden-Württemberg a. D. Professor Dr. Johannes Peter Francken, Freiburg

Heft 12/2023

Autor NZA Editorial Heft 12/2023, Johannes Peter Francken

Die Videoverhandlung ergänzt das arbeitsgerichtliche Verfahrensangebot. In Kammerterminen und Senatssitzungen gehören dem Spruchkörper auch ehrenamtliche Richter/innen an, die ihre Sachkunde, Erfahrung und Kenntnis der betrieblichen Praxis in das Gerichtsverfahren einbringen. Hierbei hat der Unmittelbarkeitsgrundsatz eine besondere Bedeutung. Die wechselseitige und unmittelbare Kommunikation zwischen Berufsrichter/innen und ehrenamtlichen Richter/innen muss jederzeit gewährleistet sein und ist bei körperlicher Präsenz an der Gerichtsstelle am besten gewährleistet. Die Wiedergabe der Komplexität der mündlichen Verhandlung kann für einen sich an verschiedenen Orten aufhaltenden Spruchkörper nur mit Abstrichen von Videokonferenzsystemen geleistet werden und beeinträchtigt damit den Unmittelbarkeitsgrundsatz nebst Entscheidungsfindung. 

Das hat die Bundesregierung jetzt doch noch in ihrem Gesetzentwurf vom 26.5.2023 zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten berücksichtigt und für das arbeitsgerichtliche Verfahren eine gesonderte Regelung in § 50a ArbGG-E getroffen (BR-Drs. 228/23). Hingegen hatte es im Referentenentwurf vom 23.11.2022 in § 128a IV ZPO, der auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren gelten sollte, noch geheißen: Der Vorsitzende kann den Mitgliedern des Spruchkörpers gestatten, sich an anderen Orten als dem Sitzungszimmer aufzuhalten und an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Hiergegen regte sich zu Recht in selten gegebener Einstimmigkeit erheblicher Widerstand bei Verbänden und Arbeitsgerichtsbarkeit. BDA, BRAK, DGB, Verdi, Deutscher Richterbund, Deutscher Arbeitsgerichtsverband, Bund der Richter/innen der Arbeitsgerichtsbarkeit und die 83. und 84. Konferenz der BAG-Präsidentin und der LAG-Präsident/innen äußerten massive Bedenken (s. auch Bader NZA-Editorial Heft 2/2023; Francken NZA 2022, 1225; Heimann NZA-aktuell Heft 1/2023, S. VIII; Natter NZA-Beilage 2022, 37 (42)).

Dieser „Aufstand der arbeitsrechtlichen Community“ führte nun zu einer gesetzgeberischen Kurskorrektur. Wegen der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens will der Gesetzgeber die prozessualen Grundlagen zur Durchführung von Videoverhandlungen jetzt in § 50a ArbGG-E regeln. An der Anwesenheit des Spruchkörpers im Sitzungszimmer soll auch bei Videoverhandlungen im Gegensatz zu § 128a III ZPO-E festgehalten werden. Die Erprobungsklausel für eine vollvirtuelle Verhandlung (§ 16 EGZPO-E) ist mithin in der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht anwendbar. Von den jährlich erledigten erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren sind circa 60% Bestandsstreitigkeiten (Statistisches Bundesamt Fachserie 10 Reihe 2.8, 2008 – 2021). Sie haben für die Arbeitnehmer/innen in der Regel existentielle Bedeutung. Dem sollte eine gute Verfahrensordnung Rechnung tragen. Hierzu zählt zwingend die Präsenz des Spruchkörpers im Sitzungszimmer bei arbeitsgerichtlichen Videoverhandlungen.

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