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NZA Editorial

 

Bloßer Ärger reicht nicht für DS-GVO-Schadensersatz

Rechtsanwalt Professor Dr. Michael Fuhlrott, Hamburg

Heft 23/2022

Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 23/2022 Michael RuttloffDatenschutz ist teuer, kein Datenschutz jedoch noch teurer: Dass die Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften nicht nur auf Art. 83 DS-GVO gestützte Geldbußen im sechs- oder siebenstelligen Bereich nach sich ziehen kann, sondern überdies auch Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz gem. Art. 82 DS-GVO des Verletzten begründet, ist angesichts einer zwischenzeitlich ausgeprägten arbeitsgerichtlichen Kasuistik kein für Verwunderung sorgender Befund mehr. Bei der Frage, wie der immaterielle Schadensersatz zu bemessen ist, wird dabei regelmäßig auf Erwägungsgrund 146 zur DS-GVO zurückgegriffen, wonach der Begriff des Schadens „weit“ auszulegen ist und die betroffenen Personen überdies „einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz“ erhalten sollen.

Wie dieser im Einzelnen zu bemessen ist, ist bislang höchstrichterlich weder national, noch supranational entschieden. Zwar hatte im Sommer 2022 der 2. Senat des BAG (5.5.2022 – 2 AZR 363/21, NZA 2022, 1191) durchaus Sympathien dafür anklingen lassen, dass eine bloße Nicht-Beantwortung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs gem. Art. 15 DS-GVO keine Schadensersatz begründende Datenverarbeitung darstellt, musste dies aufgrund rechtskräftiger Feststellungen der Vorinstanz aber nicht abschließend beantworten. Damit ist derzeit ungeklärt, ob bei der Bemessung immateriellen Schadensersatzes eine Erheblichkeitsschwelle einzufordern ist, ob die Kriterien zur Bußgeldbemessung des Art. 83 DSGVO entsprechend herangezogen werden können oder ob dem Schadensersatz auch präventiver Charakter zukommen soll. Das BAG (26.8.2021 – 8 AZR 253/20 [A], NZA 2021, 1713) hatte bereits im Sommer letzten Jahres entsprechende Fragen im Wege der Vorabentscheidung an den EuGH adressiert, eine Klärung steht noch aus.

Ähnliche Fragen bewegen indes auch Gerichte in anderen Mitgliedsstaaten der EU: So hatte sich der Generalanwalt am EuGH Campos Sánchez-Bordona (Schlussantrag v. 6.10.2022 – C-300/21, BeckRS 2022, 26562) kürzlich mit der Frage zu befassen, ob „bloßer Ärger“ genügt, um Schadensersatzansprüche zu begründen. Dieser nahm den Standpunkt ein, dass der in der DS-GVO angelegte Ersatz immaterieller Schäden sich nicht auf „bloßen Ärger“ erstrecke und es Sache der nationalen Gerichte sei, herauszuarbeiten, „wann das subjektive Unmutsgefühl aufgrund seiner Merkmale im Einzelfall als immaterieller Schaden angesehen werden“ könne. Nun ist ein Schlussantrag kein Urteil. Manchmal folgt der EuGH dem Schlussantrag nicht, oftmals tut er es aber: Schließt sich der EuGH in dieser Sache seinem Generalanwalt an, dürfte dies bei Unternehmen zu einem Aufatmen führen: Zwischenzeitlich werden immer häufiger Kündigungsschutzklagen mit einem Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DS-GVO garniert. Ist die einmonatige Beantwortungsfrist verstrichen, folgt die Klagerweiterung auf immateriellen Schadensersatz. Dies dürfte dann nicht mehr so einfach möglich sein; Arbeitnehmer werden sorgfältiger darlegen müssen, worin der entstandene Schaden besteht. Je nachdem wie die nationale Rechtsprechung daraufhin die Stellschrauben an die Darlegung des Schadens justieren wird, könnte der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch jedenfalls in den Fällen an Attraktivität verlieren, in denen dieser nur als DownloadSteigbügel für einen späteren Schadensersatz dient. Das wäre keine allzu schlechte Entwicklung.

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