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NZA Editorial

 

Wie man intransparentes Unionsrecht transparent umsetzt

Professor Dr. Christian Rolfs, Köln

Heft 7/2022

Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 7/2022 Christian RolfsBis August muss der Gesetzgeber die Richtlinie 2019/1152/EU über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in nationales Recht umsetzen. Ihre größte Herausforderung liegt darin, dass sie die Arbeitgeber verpflichtet, im Vertragsnachweis über „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen“ zu informieren. Die potenziell zu beachtenden Verfahrensschritte lassen sich jedoch bei Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht einmal ansatzweise mit Anspruch auf Vollständigkeit beschreiben. Anhörung des Betriebs- oder Personalrats, bei Funktionsträgern dessen Zustimmung bzw. gerichtliche Zustimmungsersetzung, bei Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz die vorherige Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde bzw. des Integrationsamts, Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und Massenentlassungsanzeige bezeichnen nur schlagwortartig die Verfahrensschritte, die vom Arbeitgeber unter im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht absehbaren Umständen der Kündigung einzuhalten sind. Zudem ist die deutsche Sprachfassung „Kündigung“ wohl zu eng, in den meisten anderen Sprachen ist unspezifischer von „Beendigung“ (termination, cessation) die Rede, sodass auch Befristung, Aufhebungsvertrag etc. erfasst werden müssen. 

Der seit Jahresbeginn vorliegende Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie trägt zur Transparenz nichts bei. Er schlägt vor, das NachwG zu ergänzen, greift aber lediglich den Wortlaut der Richtlinie auf und ergänzt ihn um die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage. Damit liegt der Schwarze Peter zunächst bei den verpflichteten Arbeitgebern und später beim EuGH, der verbindlich entscheiden muss, was alles zu dem „Verfahren bei Kündigungen“ gehört. Die Großkommentare zum Kündigungsrecht erläutern dies präzise, benötigen dafür aber satte 3.000 Seiten. Kaum weniger überzeugend ist, dass der Entwurf sich auch über die Rechtsfolgen bei Verstößen ausschweigt. Das BAG hatte in der Vergangenheit mit einem auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch gearbeitet. Das aber hilft hier nicht weiter, weil das Verfahren bei Kündigungen zwingendes Recht ist und eine unter Verstoß gegen § 623 BGB formlos erklärte Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht deshalb wirksam werden kann, weil im Vertragsnachweis der Hinweis auf den Schriftformzwang unterblieben ist. Ebenso wenig kann sich das Arbeitsgericht als Schadensersatz über die von Amts wegen zu beachtende dreiwöchige Klagefrist hinwegsetzen.

Art. 5 II der Richtlinie bietet für all diese Probleme eine elegante Lösung: Der Gesetzgeber könnte nach dem Vorbild der Verbraucherinformationen und Widerrufsrechte (Art. 246 ff. EGBGB nebst Anlagen) als Anlage zum NachwG ein Nachweismuster bereitstellen, bei dessen korrekter Verwendung eine unwiderlegliche Gesetzlichkeitsvermutung eingreift. Dann übernähme er selbst die Verantwortung für den zwingenden Inhalt ordnungsgemäßer Arbeitsvertragsnachweise. Noch bleiben ein paar Monate, um einen solchen Text gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu entwickeln. 

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