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NZA Editorial

 

§ 119 BetrVG als Offizialdelikt – Übers Ziel hinaus!

Rechtsanwalt Professor Dr. Jobst-Hubertus Bauer und Rechtsanwältin Dr. Johanna Friedel, Gleiss Lutz, Stuttgart

Heft 3/2022

Foto der Autorin von NZA-Editorial Heft 3/2022 Dr. Johanna FriedelFoto des Autors von NZA-Editorial Heft 3/2022 Dr. Jobst-Hubertus Bauer

Ab März stehen in Deutschland wieder regelmäßige Betriebsratswahlen an. Trotz Bemühungen, die Repräsentation von Arbeitnehmern durch Betriebsräte auch in Kleinbetrieben zu erhöhen, ist der Anteil der betrieblichen Mitbestimmung seit Jahren rückläufig (IAB-Betriebspanel 2019/Begründung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes). Die Ampel-Koalition führt dies wohl darauf zurück, dass Arbeitgeber vermeintlich keine Mittel und Wege scheuen, betriebliche Mitbestimmung in ihren Betrieben zu verhindern, und will deshalb alsbald „die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung“ künftig als Offizialdelikt einstufen (Koalitionsvertrag, S. 71). „Viele trauen sich aus Angst um den Job nicht, die Behinderung von Betriebsratsgründungen oder Betriebsratstätigkeiten zur Anzeige zu bringen“, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kürzlich dazu verlautbaren lassen. Bei dieser Begründung handelt es sich allerdings um eine durch nichts belegte Vermutung. 

Die Strafverfolgung der Behinderung von Betriebsräten und Sprecherausschüssen soll also nicht mehr wie bisher von einem Strafantrag des Betriebsrats/Sprecherausschusses, des Wahlvorstandes, einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder des Unternehmens abhängig sein (§ 119 II BetrVG, § 34 II SprAuG, § 44 III EBRG). Jedermann soll künftig (angebliche) Missstände bei Betriebsratswahlen und Betriebsratsarbeit bei den Staatsanwaltschaften melden können. Damit schießt die Ampel übers Ziel hinaus. Die Erweiterung des spezifischen Straftatbestands der „Betriebsratsbehinderung“ als Offizialdelikt bereitet Denunzianten den Weg. Schon jetzt wird in Betriebsrats- und Gewerkschaftsforen dazu aufgerufen, unliebsame Arbeitgeber bei Staatsanwaltschaften zu melden, sobald die im Koalitionsvertrag angekündigte Gesetzesänderung in Kraft tritt.

Die Strafantragsbefugnis sollte nach wie vor denjenigen vorbehalten bleiben, die von möglichen Verstößen betroffen wären. Die Staatsanwaltschaften und die Strafjustiz ächzen schon jetzt unter der Last zahlreicher Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass so manches durchaus wünschenswerte Strafverfahren mangels Personal nicht rechtzeitig eingeleitet werden kann und deshalb einzustellen ist. Und jetzt sollen die Staatsanwaltschaften noch von Amts wegen mit zusätzlichen Aufgaben überfrachtet werden. Ein Unding! Die Ampel-Koalition sollte vielmehr abwarten, wie sich der erst kürzlich um Absatz 3b erweiterte § 15 KSchG bewährt. Dieser verschafft Arbeitnehmern, die öffentlich beglaubigt erklärt haben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu errichten, Sonderkündigungsschutz. Wenn das nicht reichen sollte, könnte zur Not die oben genannte Antragsbefugnis nach § 119 II BetrVG, § 34 II SprAuG, § 44 III EBRG im Sinne von § 15 III b KSchG erweitert werden.

Die Ursachen für die seit Jahren abnehmende Zahl von Betriebsratsgremien sind vielfältig. Der Gesetzgeber sollte eine etwaige Betriebsratsmüdigkeit von Arbeitnehmern nicht mit der angeblichen Behinderung von Betriebsratswahlen oder der Betriebsratstätigkeit verwechseln. Einsicht ist noch möglich: Nicht alles, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist, muss auch exakt so umgesetzt werden. Ob unser Appell Gehör finden wird? Wohl kaum, aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt! 

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