Hintergrund ist, dass der BFH seine Vorlage auf einen Hinweis der Karlsruher Richter und Richterinnen zurückgenommen hat. Das BVerfG hat daraufhin das Verfahren der konkreten Normenkontrolle eingestellt (Beschluss vom 04.07.2025 – 2 BvL 15/14).
§ 50d Abs. 10 EStG ist eine Vorschrift aus dem internationalen Steuerrecht. Geregelt wird die steuerliche Behandlung von Einkünften, die aus einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung zwischen einer Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter erzielt werden. Für diese Einkünfte überschreibt der deutsche Gesetzgeber mit § 50d Abs. 10 EStG einseitig anderslautende Bestimmungen in den von der Bundesrepublik geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Die 2008 eingeführte und 2013 nachgebesserte Regelung findet in allen offenen Fällen und damit auch auf bereits abgeschlossene Sachverhalte Anwendung.
Danach gelten sogenannte Sondervergütungen, die der im Ausland ansässige Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft von der Gesellschaft beispielsweise für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe eines Darlehens bezieht, bei Anwendung eines Doppelbesteuerungsankommens (DBA) "zum Zwecke der Anwendung des Abkommens" als Unternehmensgewinne und nicht als Arbeitslohn oder Zinsen. Die Folge ist, dass das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte Deutschland zusteht. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei derartigen Einkünften nach dem jeweiligen anzuwendenden DBA aber um Arbeitslohn oder Zinsen. Das hat regelmäßig zur Folge, dass das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters und damit nicht Deutschland zusteht.
Verfahren für die Vorlage nicht geeignet
In einem das Jahr 2000 betreffenden Verfahren sträubte sich der BFH hinsichtlich des mit der Italienischen Republik bestehenden DBA gegen eine Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG, da er ihn für verfassungswidrig hielt. Dementsprechend setzte er das bei ihm anhängige Verfahren mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 aus und holte – entsprechend seinem Vorgehen in weiteren Verfahren aus dieser Zeit – eine Entscheidung des BVerfG sowohl über die Verfassungsmäßigkeit des in § 50d Abs. 10 EStG vorgesehenen Treaty Override selbst als auch dessen Einführung und Nachbesserung jeweils mit Wirkung für die Vergangenheit ein.
Das BVerfG meint, die Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG sei aber in dem Verfahren, in dem der BFH zu befinden habe, gar nicht entscheidungserheblich. Hierauf wies seine Berichterstatterin den vorlegenden BFH-Senat hin, der sodann seinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss aufhob.
Laut BVerfG richtet sich die im Ausgangsverfahren erhobene Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlage für eine GmbH & Co. KG, in den auch Feststellungen betreffend eine atypisch stille Beteiligung weiterer Personen am Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft mit aufgenommen worden seien. Ein solches Vorgehen sei aber jedenfalls nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH verfahrensrechtlich nicht zulässig und führe zur Aufhebung des angegriffenen Bescheids. Auf die Anwendung und damit verbunden auf die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG komme es folglich im Ausgangsverfahren nicht an (Beschluss vom 04.07.2025 - 2 BvL 15/14).
Aus der Datenbank beck-online
Weigell/Görlich, Treaty Override verfassungsgemäß?, IStR 2017, 772
Lüdicke, EU-Grundfreiheiten, DBA-Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit und Treaty Override, IStR 2017, 289
Musil, Treaty Override als Dauerproblem des Internationalen Steuerrechts, IStR 2014, 192
BFH, Tatbestands- und Verfassungsmäßigkeit von § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009 und der dazu ergangenen Übergangsvorschriften, DStR 2014, 306 (Vorlagebeschluss)
BFH, Verfassungswidrigkeit eines sog. Treaty override (§ 50d Abs. 8 EStG 2002/2004)?, BeckRS 2012, 94990