Von
Gastbeitrag von Martin W. Huff | Jul 04, 2025
Muss eine Staatsanwaltschaft in einem laufenden Ermittlungsverfahren einer Zeitung den Namen eines Verteidigers nennen? Diese Frage sorgt zurzeit für heftige Diskussionen zwischen der Justiz und den Medien, insbesondere dem Springer-Konzern, berichtet Martin W. Huff.
Es ist Alltag in den Pressestellen von Gerichten und Staatsanwaltschaften: Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens oder eines laufenden Gerichtsverfahrens möchten die Medien die Auskunft erhalten, wer einen Beschuldigten oder eine Partei vertritt. Denn vor der mündlichen Verhandlung lässt sich meist nicht anders in Erfahrung bringen, welcher Anwalt, bzw. welche Anwältin im Verfahren tätig ist.
Die Pressestellen reagieren auf diese Anfrage bisher sehr unterschiedlich: Einige lehnen die Auskunft grundsätzlich ab, andere leiten die Anfrage an die betreffende Kanzlei weiter, und wiederum andere nennen – oft ohne Rücksprache mit der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt – den Medien den Namen. Doch welches ist der richtige Weg?
Dazu gibt es jetzt zwei unterschiedliche Gerichtseinstscheidungen im Wege der einstweiligen Verfügung von Verwaltungsgerichten, die für die Klärung dieser Rechtsfrage zuständig sind. Denn der Springer-Konzern, zu dem unter anderem die Welt und die Bild-Zeitung gehören, vertritt die Auffassung, dass im Rahmen der presserechtlichen Auskunftspflicht der Medien die Justiz verpflichtet ist, die Namen von Prozessbevollmächtigten zu nennen, damit mit diesen Kontakt für eine mögliche Berichterstattung aufgenommen werden könne. Als die Staatsanwaltschaft Hamburg eine solche Auskunft in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, in dem der Name des Beschuldigten dem Springer-Konzern bereits bekannt war, die Mitteilung des Namens ablehnte, beantragte der Verlag den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Namensnennung.
VG München sieht anwaltliche Verschwiegenheit betroffen
Das VG Hamburg und das OVG Hamburg (Beschluss vom 07.04.2025 – 3 Bs 20/25) haben dem Antrag stattgegeben. Die Hamburger Verwaltungsgerichte vertreten die Auffassung, dass der presserechtliche Auskunftsanspruch auch die Nennung des Verteidigernamens umfasse. Das OVG sah keinen Grund für eine Auskunftsverweigerung, da weder öffentliche noch schutzwürdige private Interessen dem entgegenstünden. Zwar werde in das Persönlichkeitsrecht des Verteidigers eingegriffen, aber das Interesse der Medien an der Namensnennung überwiege hier. Denn beim Rechtsanwalt liege nur ein Eingriff in dessen Sozialsphäre vor, die er hinnehmen müsse. Auf die anwaltliche Verschwiegenheit wird in der Entscheidung kaum eingegangen.
Völlig anders sah dies nun das VG München (Beschluss vom 18.06.2025 – M 10 E 3465/25). Das Gericht wies einen Antrag eines Springer-Journalisten auf Namensnennung gegenüber der Staatsanwaltschaft München I ab. Die Verwaltungsrichterinnen und -richter erkannten weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund. Denn die Staatsanwaltschaft sei berechtigt gewesen, die Nennung des Verteidigernamens zu verweigern. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPresseG sieht vor, dass die Auskunft verweigert werden kann, "soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht." Hier gehe der Schutz des Mandatsgeheimnisses aus § 43a Abs. 2 BRAO dem pressrechtlichen Auskunftsanspruch vor. Zwar schütze die Verschwiegenheitspflicht überwiegend die Mandantinnen und Mandanten. Daneben, so das Gericht, liege die Verschwiegenheitspflicht aber auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege. Unter das Mandatsgeheimnis falle sowohl die Mandatierung wie auch die Bestellung als Pflichtverteidigerin oder Pflichtverteidiger. Der anwaltlichen Verschwiegenheit sei ein besonders hoher Stellenwert zuzubilligen.
Zudem sei für eine Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren auch nicht die Kenntnis des Verteidigernamens erforderlich, argumentierte das VG München. Denn nach einer Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft seien alle wesentlichen Umstände bekannt gewesen. Auch fehle es an einem Anordnungsgrund. Denn es sei schon zweifelhaft, ob hier nicht die Hauptsache vorweggenommen werde und es dafür einen ausreichenden Grund gebe.
Name von Anwältinnen und Anwälten tut für Berichterstattung wenig zur Sache
Es steht zu erwarten, dass die Auseinandersetzung zwischen dem Springer-Konzern und der Justiz noch nicht beendet ist. So ist eine Beschwerde zum VGH München wahrscheinlich. Und es wäre gut, wenn diese Rechtsfrage auch in der Hauptsache geklärt werden würde.
Die besseren Argumente sprechen dabei für die Ansicht des VG München. Denn es gibt keinen Grund, warum die anwaltliche Verschwiegenheit hinter dem Auskunftsanspruch der Medien zurückstehen sollte. Für die Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren vor einer öffentlichen Verhandlung muss man nicht den Namen des oder der Prozessbevollmächtigten kennen. Auch geht das Persönlichkeitsrecht von Anwältinnen und Anwälten dem Auskunftsanspruch vor. Sie müssen mit ihren Mandantinnen und Mandanten klären, ob sie mit den Medien Kontakt aufnehmen möchten oder nicht. Deshalb brauchen sie auch nicht damit zu rechnen, dass die Justiz, ohne sie zu informieren, ihre Kontaktdaten herausgibt. Beide, Anwältinnen und Anwälte wie auch ihre Mandantinnen und Mandanten, haben das Recht, nicht mit den Medien zu sprechen. Sie müssen auch nicht hinnehmen, dass die Medien versuchen, mit ihnen gegen ihren Willen Kontakt aufzunehmen. Dies ändert sich erst, wenn es zu einer öffentlichen Verhandlung kommt. Denn dann wird klar, wer die Vertretung übernommen hat.
Wie es aus dem Ruder laufen kann
Wie schnell etwa die Namensmitteilung aus dem Ruder laufen kann, zeigt ein aktuelles Urteil des LG Berlin II (Urteil vom 03.04.2025 – 27 O 304/24). Hier war die Rechtsanwältin, die den Solinger Attentäter im Asyl-Verfahren vertreten hatte, in der Berichterstattung der Bild-Zeitung heftig kritisiert worden. Bekannt geworden war der Name, weil das VG Minden den Medien den Namen – wohl ohne weitere Prüfung, wie sich aus den Berliner Urteilsgründen ergibt – mitgeteilt hatte. Diese Berichterstattung kritisierten Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein seinerzeit deutlich, weil die Anwältin ohne ihr Zutun in der Öffentlichkeit identifizierbar geworden war.
Die Medien haben daher nur einen Anspruch darauf, dass die Justiz ihre Anfrage nach der Nennung des Namens an die betreffende Kanzlei weiterleitet. Dann kann diese selbst entscheiden, ob sie eine Kontaktaufnahme wünscht. Diese Arbeit wird man den Pressestellen der Justiz wohl zumuten können.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und ehemaliger Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge u.a. zu berufsrechtlichen Themen.
Mehr zum Thema
Aus der Datenbank beck-online
Brost, Presserechtlicher Auskunftsanspruch zum Namen des Verteidigers im Ermittlungsverfahren, GRUR-Prax 2025, 426
BVerwG, Preisgabe der Namen von Funktionsträgern im gerichtlichen Verfahren,
NJW 2015,
807