Dürfen Behörden Asylbewerbern, die das Land verlassen sollen, sämtliche Leistungen streichen? Das SG Hamburg lehnt das ab.
Eine Gesetzesänderung aus dem Oktober 2024 im AsylbLG sieht vor, dass sogenannten "Dublin-Fällen" die Leistungen gänzlich gestrichen werden können. Dies meint Menschen, die ihren Asylantrag zuerst in einem anderen EU-Land gestellt haben, welches damit nach den europäischen Dublin-Regeln für das Asylverfahren zuständig ist. Eine Ausreise scheitert allerdings häufig an mangelnden Vereinbarungen mit den Zielländern.
Aufgrund von europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken haben zahlreiche Sozialgerichte solche Leistungsausschlüsse bisher aufgehoben. In Hamburg wurden sie bis vor Kurzem weiterhin umgesetzt, doch nun ist auch das SG in der Hansestadt eingeschritten (Beschluss vom 17.04.2025 – S 7 AY 196/25 ER).
Nur noch "Bett, Brot und Seife"
Nach einer zweiwöchigen Übergangsfrist erhalten die Betroffenen Asylbewerberinnen und -bewerber nur noch stark reduzierte Leistungen. In Hamburg werden Unterkunft, Essen und Trinken sowie knapp neun Euro für "Körperpflege" gestellt. Arztbesuche sind nur noch bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen möglich. Weitere Leistungen, wie für Kleidung oder Mobilität, sind nicht vorgesehen. Sind diese zwei Wochen dann abgelaufen, sind die Betroffenen auf freiwillige Leistungen der Behörde angewiesen.
Dagegen hatte sich ein Asylbewerber, der sich seit vier Monaten in Deutschland aufhält, mithilfe der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) per Eilantrag gewehrt. Er hatte seinen Asylantrag zuvor bereits in Frankreich gestellt, zeigte jedoch kein Interesse, dorthin zurückzukehren. Daraufhin kürzte ihm die zuständige Behörde die Leistungen.
Behörde muss prüfen, ob Rückkehr tatsächlich möglich ist
Das SG Hamburg gab dem Eilantrag des Asylbewerbers statt: Solange die Überstellung in den zuständigen EU-Staat noch nicht erfolgt und eine Ausreise nicht tatsächlich möglich sei, bestehe weiterhin Anspruch auf Sozialleistungen. Die Behörde hätte demnach prüfen müssen, ob die Rückreise tatsächlich möglich sei. Im Gegensatz zu Unionsbürgerinnen und -bürgern, die im Rahmen der Freizügigkeit stets in ihr Heimatland zurückkehren könnten, seien Asylsuchende darauf angewiesen, dass der nach dem sogenannten Dublin-Verfahren zuständige Staat sie zurücknehme.
Die GFF bezeichnet die Entscheidung als wichtige rechtliche Klarstellung für die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dieses Menschenrecht gelte für alle Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität, die sich nicht ausreichend selbst versorgen könnten (Beschluss vom 17.04.2025 - S 7 AY 196/25 ER).