Ein Mann verfügte wegen einer vormaligen Tätigkeit im Wachgewerbe über einen Kleinen Waffenschein. Ein solcher berechtigt zum Führen sogenannter Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Nachdem bekannt geworden war, dass die Polizei ihn der sogenannten Reichsbürgerbewegung zurechnet, beabsichtigte die Waffenbehörde, den Waffenschein zu widerrufen und ein Waffenbesitzverbot zulasten des Mannes zu erlassen. Der Betroffene gab daraufhin den Waffenschein freiwillig zurück, äußerte sich im Rahmen der Anhörung aber nicht. Die Behörde untersagte ihm in der Folge den Erwerb und Besitz erlaubnisfreier sowie erlaubnispflichtiger Waffen und Munition.
Der Mann zog dagegen vor Gericht, blieb in erster Instanz aber ohne Erfolg. Das VG Regensburg stellte auf seine ideologische Nähe zur "Reichsbürgerbewegung" und dadurch begründete Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ab. Der VGH hingegen gab der Klage statt und hob die Entscheidung der Vorinstanz sowie den Bescheid der Waffenbehörde auf (Urteil vom 16.12.2024 – 24 B 23.1800).
Unzuverlässigkeit für erlaubnispflichtige Waffen nicht ausreichend
Der Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen kann nach § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG untersagt werden, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten ist. Der VGH kreidet dem VG an, die nach dieser Vorschrift erforderliche Gefahrenprognose mit der Unzuverlässigkeitsprognose i.S.d. § 5 WaffG gleichgesetzt zu haben. Dem stünden schon die unterschiedlichen Bezugspunkte der Prognosen – erlaubnispflichtige Waffen hier, erlaubnisfreie Waffen dort – entgegen. Auch stellt der VGH auf die amtliche Überschrift der Norm ("für den Einzelfall") ab: Daraus ergebe sich, dass Waffenbesitzverbote nicht als typische Nebenanordnung einer (meist auf Unzuverlässigkeit gestützten) Widerrufsentscheidung konzipiert seien.
Für ein Verbot nach nach § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG hält der VGH eine Gefahr mit höherer Dringlichkeit für erforderlich. Davon wollen die Richterinnen und Richter namentlich ausgehen, "wenn der Betroffene durch gefahrgeneigtes Verhalten aufgefallen ist, er beispielsweise eine Straftat begangen hat, aus der auf eine rohe oder gewalttätige Gesinnung geschlossen werden kann oder die zumindest nicht selten unter Mitführen oder Anwendung von insbesondere erlaubnisfreien Waffen verwirklicht wird". All dies sei beim hier Betroffenen nicht der Fall. Zwar sei er wegen seiner "reichsbürgertypischen" Äußerungen für erlaubnispflichtige Waffen unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Das genügt dem VGH aber nicht. Insbesondere gebe es keine tatsächlichen Erkenntnisse, dass eine einschlägige rohe Gesinnung ein gemeinsames Charakteristikum von "Reichsbürgern" sei.
Weder Besitz noch Wille zu Erwerb erlaubnisfreier Waffen ersichtlich
Das erlaubnisfreie Waffen betreffende Besitz- und Erwerbsverbot könne auch nicht auf § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG gestützt werden. Die Vorschrift stellt unter anderem auf Tatsachen ab, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer erlaubnisfreier Waffen oder Erwerbswilligen die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Das Gericht lässt offen, ob mit Blick auf den jüngst eingefügten Satz 2 des § 41 Abs. 1 WaffG die für den Kläger wegen seiner "reichsbürgertypischen" Äußerungen bestehende Unzuverlässigkeit hinsichtlich erlaubnispflichtiger Waffen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG auch die in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG verlangte Unzuverlässigkeit begründen kann. Denn: Es bestehe gar kein Grund zur Annahme, dass der Betroffene im Besitz erlaubnisfreier Waffen sei oder einen hierauf gerichteten Erwerbswillen habe.
Allein der Umstand, dass er in der Vergangenheit über einen Kleinen Waffenschein verfügte, ist für den VGH keine Tatsache, die ohne Weiteres auch die Annahme eines Erwerbswillens für erlaubnisfreie Waffen oder Munition für die Gegenwart rechtfertigt. Für seine berufliche Tätigkeit benötige der Mann die Waffen nicht mehr. Auch habe er den Kleinen Waffenschein – wenngleich auch erst anlässlich der Anhörung – freiwillig zurückgeben. Eine anderweitige gesteigerte Affinität zu Waffen oder eine ausgeprägte Konfliktbereitschaft des Betroffenen, die möglicherweise Anhaltspunkte für eine bestehende Erwerbserwartung darstellen könnten, sei nicht ersichtlich.
"Rohe Gesinnung" auch für Verbot des Besitzes erlaubnispflichtiger Waffen erforderlich
Ebenfalls als rechtswidrig stufte der VGH das Besitzverbot hinsichtlich erlaubnispflichtiger Waffen ein. Es könne nicht auf § 41 Abs. 2 WaffG gestützt werden. Maßgeblich sei auch hier, ob der Betreffende mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit durch einen missbräuchlichen Umgang – nun aber mit erlaubnispflichtigen Waffen – Dritte verletzen werde. Laut VGH bestehe, anders als das VG ohne nähere Begründung annimmt, kein unbedingter Gleichlauf zwischen Unzuverlässigkeit und Gefährlichkeit – auch wenn hier die Prognose auf die gleichen Waffen gerichtet ist wie die Unzuverlässigkeitsprognose nach § 5 WaffG. Das folgert der VGH unter anderem aus dem Umstand, dass § 41 Abs. 2 WaffG von vornherein nur relevant ist, wenn es an den allgemeinen Voraussetzungen für Waffenerlaubnisse (§§ 4 ff. WaffG) fehlt, der Gesetzgeber aber nur von einem Verbot im Einzelfall ausgeht.
Im Ergebnis verlangt der VGH für die Rechtmäßigkeit einer Untersagung nach § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG auf der Ebene des Gefahrentatbestands – wie bei § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG – einen Sachverhalt, der durch Affinität zu erlaubnispflichtigen Waffen und gefahrgeneigtes Verhalten ("rohe Gesinnung") des Betroffenen geprägt ist. Eine solche Situation sei vorliegend nicht gegeben. Dass der Betroffene früher erlaubnispflichtige Waffen besessen oder beantragt habe, sei nicht ersichtlich; ebenso wenig ein anderweitiger Umgang mit solchen Waffen, beispielsweise auf dem Schießstand. Der Mann habe lediglich über einen Kleinen Waffenschein verfügt, diesen habe er inzwischen zudem freiwillig zurückgegeben. Missbräuchliche Verwendung oder andere Auffälligkeiten seien nicht bekannt geworden. Auch die schlichte Nähe zur "Reichsbürgerbewegung" lasse nicht erkennen, dass der Betreffende in den Besitz erlaubnispflichtiger Waffen kommen könnte – oder auch nur wollte (Urteil vom 16.12.2024 - 24 B 23.1800).
Aus der Datenbank beck-online
VGH München, Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbot, BeckRS 2024, 36867 (ausführliche Gründe)
VGH München, Prüfungsmaßstab bei Waffenverbot für den Einzelfall, BeckRS 2024, 1387
VG Sigmaringen, Mitgliedschaft, Verbot, Waffen, Waffenbesitz, Waffenverbot, Prognose, Sicherheit und Ordnung, BeckRS 2017, 139339
BVerwG, Verzicht auf Kleinen Waffenschein nach Einleitung eines Widerrufsverfahrens, NVwZ 2017, 883
BVerwG, Waffenrechtliches Verbot, erlaubnispflichtige/erlaubnisfreie Waffen, Verbot des künftigen Besitzes, Gewa 2012, 492