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Redaktion beck-aktuell (dpa) | Nov 12, 2024
Klimaschützer von Milieudefensie hatten den Energiekonzern Shell verklagt und 2021 recht bekommen. Nun aber kassiert das Berufungsgericht in Den Haag das historische Urteil: eine Niederlage für die Umweltorganisation.
Der britische Öl- und Erdgaskonzern Shell muss seinen CO2-Ausstoß doch nicht drastisch reduzieren. Die Berufungsinstanz, der Gerechtshof Den Haag, hob ein entsprechendes Klimaurteil der ersten Instanz auf und wies die Klage von Umweltschützern ab. 2021 hatte ein Zivilgericht in Den Haag Shell zur umfassenden CO2-Reduzierung verpflichtet - netto 45% weniger als 2019. Und das sollte auch für die indirekten Emissionen der Zulieferer und Kunden von Shell gelten. Shell hatte zum Zeitpunkt der Klage einen Sitz in Den Haag, mittlerweile ist das Unternehmen nur noch britisch. Noch nie zuvor war ein Konzern von einem Gericht zu derart drastischen Klimaschutzmaßnahmen gezwungen worden.
Shell selbst hatte nach dem ersten Urteil argumentiert, es gebe im Pariser Klimaabkommen keine Verpflichtung für Unternehmen, Schadstoffe zu reduzieren. Nicht Gerichte, sondern Regierungen müssten das anordnen, so der Konzern. Außerdem könne man ein Unternehmen rechtlich nicht für den CO2-Ausstoß seiner Kunden verantwortlich machen. Verbraucher entschieden schließlich selbst, welche Energie sie nutzten und wie viel.
"Shell ist einer der größten Klimaverschmutzer", hatte dagegen der Direktor von Milieudefensie, Donald Pols, vor dem Urteil am Dienstag gesagt. Nur China, die USA, Russland und Indien würden mehr CO2 ausstoßen. Der Klimawandel aber bringe Menschenleben in Gefahr und damit auch Menschenrechte. Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass die Verpflichtungen, die die Staaten im Pariser Klimaabkommen eingegangen sind, auch für Unternehmen gelten. "Die Straflosigkeit der großen multinationalen Unternehmen muss enden", sagte Pols.
Nun erklärten die Richterinnen und Richter, Shell habe zwar eine Pflicht, sich für den internationalen Klimaschutz einzusetzen. Doch ein konkreter Prozentsatz bei der Senkung des CO2-Ausstoßes könne dem britischen Konzern nicht auferlegt werden. Das Gericht verpflichtete Shell auch nicht, seine direkten Emissionen bei der Produktion und dem Vertrieb von Energie zu senken. Shell sei bereits auf einem guten Weg und wolle bis 2030 selbst eine Reduzierung von 50% erreichen.
Es gilt als sicher, dass die Hauptklägerin, die Umweltorganisation Milieudefensie, Rechtsmittel einlegt.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Wagner, Klimaschutz durch Gerichte, NJW 2021, 2256