Unter dem Schutz der Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit dürfen Demonstrierende ziemlich viel. Auch laute Kundgebungen, die mitunter den Rest der Welt stören, sind erlaubt. Grenzen hat diese Freiheit jedoch, wenn das erklärte Ziel einer regelmäßig stattfindenden Demo ist, die Mitarbeitenden eines Rüstungskonzerns so lange zu beschallen, bis diese ihre Arbeit niederlegen.
So hat es der VGH Mannheim in einem aktuellen Fall gesehen (Beschluss vom 05.10.2024 – 2 S 1546/24). Eine Gruppe Demonstrierender hält regelmäßige Versammlungen vor einem Produktionsstandort des Rüstungsunternehmens Elbit Systems ab, dessen Hauptsitz sich im israelischen Haifa befindet. Die Veranstalter planten laut eigenen Angaben wöchentlich dort Versammlungen abhalten, "so lange bis die Firma verschwindet, auch wenn der Krieg morgen aufhört".
Nach mehreren Beschwerden des Unternehmens und einer benachbarten psychiatrischen Klinik wurde die Versammlung mit Auflagen belegt, deren sofortigen Vollzug die Behörde anordnete. Dagegen legten die Veranstalter Wiederspruch ein und bemühten sich vor dem VG Sigmaringen darum, dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Das VG entsprach dem aber nur zum Teil und unter eigenen Maßgaben: Der Weg der Demonstrierenden sollte künftig nicht mehr an der Klinik vorbeiführen, die Versammlung sollte auf zwei Stunden am Nachmittag begrenzt werden und der Einsatz von Megafonen auf zehn Minuten.
VGH: Demonstranten zwangen Mitarbeitenden ihre Meinung auf
Die dagegen erhobene Beschwerde hat der VGH nun zurückgewiesen und dabei vor allem auf das Ziel der Demonstration abgestellt, dem Rüstungskonzern und dessen Mitarbeitenden zu schaden und – so das Gericht – die Schließung des Produktionsstandorts zu erreichen. In dem Umkreis der Demonstration gebe es kaum Publikumsverkehr, führte der Senat weiter aus, was den Schluss zulasse, dass die Versammlung ihrem Zweck nach hauptsächlich auf eine Beeinflussung der Beschäftigten gerichtet sei und weniger die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen soll.
Da die Beschäftigten sich der regelmäßigen und erheblichen Lärmbelästigung auch nicht entziehen könnten, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlassen, seien die zeitlichen- und Lärmbeschränkungen gerechtfertigt. Zwar gebe es keine "negative Meinungsfreiheit", verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden Meinungen verschont zu bleiben. Etwas Anderes gelte allerdings, wenn – wie im vorliegenden Fall – den Beschäftigten über einen langen Zeitraum in zum Teil wöchentlichen Abständen mehrere Stunden lang die gleiche Meinung aufgezwungen werden solle, um sie letztlich dazu zu bewegen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben. Der Beschluss ist unanfechtbar (Beschluss vom 05.10.2024 - 2 S 1546/24).