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Messer-Verbote: Warum es nicht auf den Zentimeter ankommt

Von Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos | Aug 28, 2024
Die Mes­ser-At­ta­cke von So­lin­gen hat wie­der ein­mal für For­de­run­gen nach einer Ver­schär­fung des Waf­fen­rechts ge­sorgt, Bun­des­kanz­ler Scholz kün­dig­te eine zü­gi­ge Um­set­zung an. Doch kann man so für mehr Si­cher­heit sor­gen?

Immer, wenn in einem Land etwas Schreck­li­ches ge­schieht, sei es eine Na­tur­ka­ta­stro­phe, sei es – wie kürz­lich in So­lin­gen – ein Ter­ror­an­schlag, fällt der Po­li­tik eine un­dank­ba­re Auf­ga­be zu. Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler wol­len dann hören, was man zu tun ge­denkt, damit sich so etwas nicht wie­der­holt. Das ist zu­nächst ein­mal mensch­lich: Sol­che Er­eig­nis­se ma­chen Angst und rufen den Wunsch nach Si­cher­heit her­vor. Und es ist auch staats­theo­re­tisch nicht ganz falsch, denn eine we­sent­li­che Staats­auf­ga­be ist es eben, die Si­cher­heit der Be­völ­ke­rung zu ge­währ­leis­ten. 

Doch was pas­siert, wenn die­ser Wunsch mit der Rea­li­tät kol­li­diert, an­ders ge­sagt, wenn die ge­for­der­te Si­cher­heit – je­den­falls in einem Rechts­staat wie dem un­se­ren – schlicht nicht zu ge­währ­leis­ten ist? Dann blei­ben der Po­li­tik im We­sent­li­chen zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der sie spricht diese Wahr­heit offen aus – mit zu ver­mu­ten­den Kon­se­quen­zen beim nächs­ten Gang zur Wahl­ur­ne – oder sie täuscht Hand­lungs­fä­hig­keit vor.  

Nach­dem be­reits bei di­ver­sen An­schlä­gen zuvor schär­fe­re Ver­bo­te für Mes­ser ge­for­dert wor­den waren, grif­fen Me­di­en und Op­po­si­ti­on nun schnell dar­auf zu­rück. Und die Re­gie­rung schwenk­te bald ein: Das In­nen­mi­nis­te­ri­um hatte unter Nancy Fae­ser (SPD) oh­ne­hin schon einen Ent­wurf er­ar­bei­tet, Wirt­schafts­mi­nis­ter Ro­bert Ha­beck (Grüne) sprach sich dafür aus, und auch Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) kün­dig­te nun eine ra­sche Ver­schär­fung des Waf­fen­rechts an. Die FDP, die sich an­fangs noch sträub­te, zeigt sich inzwischen ebenfalls offen dafür. 

Alle Mes­ser als po­ten­zi­el­le Mord­werk­zeu­ge

Noch ist un­klar, was genau letzt­lich ge­än­dert wer­den soll, doch ei­ni­ge Vor­schlä­ge lie­gen be­reits auf dem Tisch. Der wohl po­pu­lärs­te ist, die Klin­gen­län­ge von in der Öf­fent­lich­keit er­laub­ten Mes­sern von ge­gen­wär­tig zwölf auf sechs Zen­ti­me­ter zu re­du­zie­ren. Hier­zu ist vorab ein Blick ins Waf­fen­ge­setz (WaffG) hilf­reich. Die­ser of­fen­bart: Waf­fen im Sinne des Ge­set­zes sind vor allem Ge­gen­stän­de, die nach ihrer Be­schaf­fen­heit dazu ge­dacht sind, Men­schen zu ver­letz­ten (§ 1 Abs. 2 WaffG). Ge­wöhn­li­che Mes­ser, un­ab­hän­gig von ihrer Größe, ge­hö­ren nicht dazu. Sonst wäre auch das Brot­mes­ser in der hei­mi­schen Kü­chen­schub­la­de als Waffe zu qua­li­fi­zie­ren. 

Der ak­tu­ell kur­sie­ren­de Vor­schlag zielt daher auf § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG, der ein Füh­rungs­ver­bot auch für ge­wöhn­li­che Mes­ser mit einer Klin­gen­län­ge von über zwölf Zen­ti­me­tern an­ord­net. Die Vor­schrift hat zur Folge, dass sol­che Ge­gen­stän­de nicht in der Öf­fent­lich­keit mit­ge­führt wer­den dür­fen – außer man hat sie ge­ra­de  im ört­li­chen Su­per­markt er­wor­ben. Würde man nun keine Mes­ser mehr ober­halb einer Klin­gen­län­ge von sechs Zen­ti­me­tern er­lau­ben, wären damit auch ge­wöhn­li­che Ta­schen­mes­ser aus der Öf­fent­lich­keit ver­bannt.  

Ste­fa­nie Grü­ne­wald, Pro­fes­so­rin für Öf­fent­li­ches Recht an der Aka­de­mie der Po­li­zei Ham­burg, glaubt indes nicht, dass dies Aus­wir­kun­gen auf die öf­fent­li­che Si­cher­heit hätte: "Man kann na­tür­lich unter die­sen Tat­be­stand noch wei­te­re Mes­ser fas­sen, wenn es dafür eine par­la­men­ta­ri­sche Mehr­heit gibt", so Grü­ne­wald im Ge­spräch mit beck-ak­tu­ell. "Aber man muss sich die Frage stel­len, warum je­mand so etwas in der Regel mit sich führt. Stellt man alle Mes­ser unter Ge­ne­ral­ver­dacht oder müs­sen es be­son­ders ge­fähr­li­che sein?" 

"Sug­ge­rie­ren Si­cher­heit, die nicht da ist"

"Je­mand, der wil­lens und über­zeugt ist, eine Straf­tat zu be­ge­hen, lässt sich das vom Ge­setz nicht ver­bie­ten", so Grü­ne­wald. Das aus­zu­spre­chen falle zwar nicht leicht, weil es den Men­schen Si­cher­heit nehme, aber: "Wir wer­den keine Si­cher­heit dar­aus schöp­fen, dass wir die Klin­gen­län­ge re­du­zie­ren. Der Re­flex, alles zu ver­schär­fen, darf nicht zur Il­lu­si­on füh­ren, dass dann nichts mehr pas­siert würde." Die Tat von So­lin­gen un­ter­streicht das sogar. Der mut­ma­ß­li­che Täter be­nutz­te nach bis­he­ri­gem Stand der Er­mitt­lun­gen of­fen­bar ein 20 Zen­ti­me­ter lan­ges Mes­ser. Die­ses in der Öf­fent­lich­keit zu füh­ren, ist auch nach der­zei­ti­ger Ge­set­zes­la­ge nicht er­laubt. Von sei­ner Tat hielt ihn das nicht ab. Sol­che Klin­gen­län­gen hin­ge­gen ge­ne­rell zu ver­bie­ten, würde in vie­len hei­mi­schen Kü­chen die Schub­la­de merk­lich lee­ren. 

Ver­hin­dern könn­ten Taten wie in So­lin­gen oh­ne­hin keine blo­ßen Ge­set­ze, son­dern nur deren ef­fek­ti­ve Über­prü­fung durch die Si­cher­heits­be­hör­den, gibt Grü­ne­wald zu be­den­ken. Diese müss­ten im Üb­ri­gen auch das ver­schärf­te Füh­rungs­ver­bot kon­trol­lie­ren. Ganz prak­tisch: Be­am­te stop­pen je­man­den in der Fu­ß­gän­ger­zo­ne, durch­su­chen die Ta­schen der Per­son und fin­den ein Mes­ser. Nun müs­sen sie erst ein­mal klä­ren, um was für ein Mes­ser es sich han­delt: ein oh­ne­hin ver­bo­te­nes Kampf­mes­ser oder ein ge­wöhn­li­ches Haus­halts­ge­rät? Soll­te es letz­te­res sein, muss das Zen­ti­me­ter­maß ran. "Das ist sehr ein­griffs­in­ten­siv", meint Grü­ne­wald. "Und es trifft auch jeden Bür­ger und jede Bür­ge­rin, die nie­man­den ver­let­zen wol­len. Wir stel­len eine Ge­sell­schaft dann unter Ge­ne­ral­ver­dacht."  

Sinn­vol­ler wäre es daher aus ihrer Sicht, mehr in Per­so­nal von Po­li­zei und Ver­fas­sungs­schutz zu in­ves­tie­ren. Doch das koste eben Geld und sei daher in der ak­tu­el­len Haus­halts­dis­kus­si­on schwie­ri­ger durch­zu­set­zen, so Grü­ne­wald. "Ad-hoc-Maß­nah­men ber­gen da­ge­gen das Ri­si­ko, Si­cher­heit zu sug­ge­rie­ren, die nicht da ist." 

Was hel­fen kann: Waf­fen­ver­bots­zo­nen und Prä­ven­ti­on 

An­ders be­ur­teilt die Ex­per­tin da­ge­gen ein ge­ne­rel­les Um­gangs­ver­bot mit so­ge­nann­ten Spring­mes­sern, die sich der­zeit noch in einer Art Grau­zo­ne be­fän­den: "Man muss immer schau­en, wo man be­stimm­te Waf­fen­ty­pen neu er­fas­sen muss, wenn Sinn und Zweck eines Ge­gen­stan­des nicht ist, zu­hau­se das Brot zu schnei­den, son­dern je­man­den zu ver­let­zen." Ein ge­ne­rel­les Ver­bot hätte auch zur Folge, dass der­ar­ti­ge Mes­ser nicht mehr frei zu er­wer­ben wären. Damit wäre auch die Kon­trol­le des Ver­bots deut­lich ein­fa­cher, als wenn grund­sätz­lich er­werbs­fä­hi­ge Ge­gen­stän­de pro­ak­tiv aus dem Ver­kehr ge­zo­gen wer­den müs­sen.  

Nun könn­te man sich auf den Stand­punkt stel­len, dass schär­fe­re Waf­fen­ge­set­ze je­den­falls nicht scha­den kön­nen. Schlie­ß­lich, so for­mu­lier­te es Bun­des­mi­nis­ter Ha­beck, leben wir "nicht mehr im Mit­tel­al­ter": "Hieb- und Stich­waf­fen braucht nie­mand in Deutsch­land in der Öf­fent­lich­keit." Die­ser An­satz setzt aber vor­aus, dass der Staat per se erst ein­mal alles ver­bie­ten könn­te, so­lan­ge kein drin­gen­des Be­dürf­nis für etwas be­steht. Doch im li­be­ra­len Rechts­staat der Bun­des­re­pu­blik, das be­stä­tigt auch Grü­ne­wald, ist es an­ders­her­um: Jeder Frei­heits­ge­brauch ist zu­nächst ein­mal er­laubt, so­lan­ge es nicht ein be­grün­de­tes Be­dürf­nis gibt, ihn ein­zu­schrän­ken. Das gilt auch für das Schnei­den eines Ap­fels im Park. 

Schlie­ß­lich schal­te­te sich jüngst der Par­la­men­ta­ri­sche Ge­schäfts­füh­rer der Uni­ons­frak­ti­on im Bun­des­tag, Thors­ten Frei, in die Dis­kus­si­on ein und for­der­te eine Mög­lich­keit für die Po­li­zei, an­lass­los Per­so­nen­kon­trol­len in der Öf­fent­lich­keit auf Waf­fen durch­zu­füh­ren. In der Tat darf die Po­li­zei ge­gen­wär­tig nicht ohne kon­kre­ten An­lass – in der Regel den be­grün­de­ten Ver­dacht, dass eine Per­son po­ten­zi­ell ge­fähr­lich sein könn­te – Bür­ge­rin­nen und Bür­ger auf der Stra­ße auf Waf­fen kon­trol­lie­ren. Das wäre wohl auch grund­recht­lich nicht mach­bar, meint Staats­recht­le­rin Grü­ne­wald. Gleich­wohl habe die Po­li­zei gute Er­fah­run­gen mit so­ge­nann­ten Waf­fen­ver­bots­zo­nen ge­macht. In die­sen Zonen darf auch un­ab­hän­gig von einer be­grün­de­ten Ge­fahr – somit an­lass­los – kon­trol­liert wer­den. Ganz ohne Wei­te­res kön­nen diese aber auch nicht ein­ge­rich­tet wer­den, auch dafür braucht es eine kon­kre­ten Ge­fah­ren­pro­gno­se. 

Doch auch mehr Waf­fen­ver­bots­zo­nen in deut­schen In­nen­städ­ten könn­ten Vor­fäl­le wie in So­lin­gen al­len­falls durch Zu­fall ver­hin­dern. Was hilft aus Sicht der Po­li­zis­tin­nen und Po­li­zis­ten, die Grü­ne­wald in Ham­burg un­ter­rich­tet, also wirk­lich gegen Ter­ror­ge­fahr? Prä­ven­ti­on sei das Stich­wort, sagt die Ju­ris­tin. "Das be­trifft nicht nur die Po­li­zei, son­dern auch den Ver­fas­sungs­schutz, aber auch So­zi­al­ar­bei­te­rin­nen und -ar­bei­ter oder Ju­gend­be­hör­den. Per­so­nen, die sol­che Taten be­ge­hen, sind oft Men­schen, die schon zuvor Auf­fäl­lig­kei­ten ge­zeigt haben. Da gilt es, die Kri­mi­na­li­tät schon im Keim zu er­sti­cken." Auch wei­te­re Ein­griffs­be­fug­nis­se für die Si­cher­heits­be­hör­den im di­gi­ta­len Raum seien wich­tig. "Man muss heute nicht mehr nach Sy­ri­en oder Af­gha­ni­stan rei­sen, um sich zu ra­di­ka­li­sie­ren", so Grü­ne­wald. Der fal­sche Um­gang im In­ter­net rei­che völ­lig aus. "Da kommt die Po­li­zei im di­gi­ta­len Zeit­al­ter oft nicht mehr mit."

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