Das SG München hat in einem ungewöhnlichen Fall ein Urteil gefällt: Nach dem Tod seiner Partnerin forderte ein Mann Opferentschädigung. Dabei hatte er sie selbst getötet.
Vor dem SG München hatte ein Mann geklagt, der seine Lebensgefährtin fahrlässig getötet hatte. Die Frau hatte an einer psychotischen Störung gelitten und ihrem schlafenden Freund im Wahn eine volle Glasflasche mehrfach auf den Kopf geschlagen. Der hatte erhebliche Verletzungen erlitten, konnte aber in einem Abwehrkampf seine Freundin überwältigen und in den "Schwitzkasten" nehmen, wodurch sie nach wenigen Sekunden das Bewusstsein verlor. Der Mann hielt den Griff für mindestens drei Minuten aufrecht, was zu einem Atemstillstand führte. Die Reanimationsversuche der herbeigerufenen Sanitäterinnen und Sanitäter blieben erfolglos, so dass die Frau verstarb.
Der Mann wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er habe zwar zunächst in Notwehr gemäß § 32 StGB gehandelt, so das Strafgericht, diese aber durch Aufrechterhalten des Griffes zumindest fahrlässig überschritten.
Vor dem SG machte der Mann anschließend Ansprüche auf Opferentschädigung geltend. Er sei Opfer eines unvorhergesehenen Angriffs geworden. Das Geschehen, die Untersuchungshaft und das Strafverfahren hätten ihn schwer traumatisiert. Er habe durch die aus seiner Sicht zu Unrecht erfolgte Verurteilung seinen Arbeitsplatz verloren. Auch vermisse er seine Partnerin.
Das SG München hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 02.02.2024 – S 31 VG 26/23, nicht rechtskräftig). Es stehe zwar unstreitig fest, dass der Mann Opfer eines schwerwiegenden Angriffs wurde. Der Angriff sei jedoch mit dem Eintritt der Bewusstlosigkeit der Angreiferin beendet gewesen, so das Gericht. Daher habe er nur Anspruch auf eine Opferentschädigung für die Folgen der Kopfverletzungen, nicht aber für die psychischen Folgen durch die Tötung sowie für die Belastungen durch die Verurteilung (Urt. v. 2.2.2024 - S 31 VG 26/23).
Aus der Datenbank beck-online
Kudlich, An den Grenzen der Notwehr, JA 2014, 587