Sind die Begründungsanforderungen des BVerfG an Verfassungsbeschwerden überzogen? Diese Frage wird immer wieder diskutiert, wenn Eingaben von hohem öffentlichem Interesse unter Verweis auf eine mangelhafte Substantiierung abgelehnt werden. Anlass für neuerliche Diskussionen könnte ein aktueller Beschluss des Gerichts bieten, der deutlich macht, dass sogar Bundesrichter den Anforderungen der Karlsruher Verfassungshüter mitunter nicht zu genügen wissen (Beschluss vom 28.02.2024 - 2 BvQ 16/24).
In der Sache ging es hier (noch) nicht um eine Verfassungsbeschwerde, sondern um einen Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem ein Richter am BGH die Ruhestandsregelung für Bundesrichterinnen und -richter angriff. Als solcher unterliegt er einer starren Altersgrenze, die nach § 48 Abs. 1 DRiG derzeit bei 67 Jahren liegt. Eine Möglichkeit, den Eintritt in den Ruhestand hinauszuschieben, ist nicht vorgesehen.
BGH-Richter sieht Diskriminierung in starrem Ruhestandsalter
Von Ruhestand will der betreffende Richter jedoch offenbar nichts wissen und ließ sich von der BGH-Präsidentin per rechtsmittelfähigem Bescheid mitteilen, dass er mit Erreichen der Altersgrenze außer Dienst treten muss. Hiergegen beantragte er anschließend auf dem Verwaltungsrechtsweg die Feststellung, dass dies nicht rechtens sei. Der gezwungene Bald-Pensionär sah sich dadurch aufgrund seines Alters diskriminiert und stützte sich zudem darauf, dass es Bundesbeamtinnen und -beamten sowie auch Richterinnen und Richtern des Landes Baden-Württemberg möglich sei, ihren Ruhestand hinauszuschieben.
Das erstinstanzlich befasste VG Karlsruhe setzte den Rechtsstreit aus und legte dem EuGH zur Vorabentscheidung die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 a) und Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie RL 2000/78/EG vor (Beschluss vom 24.04.2023 – 12 K 2386/22). Diese könnte einer starren Regelaltersgrenze im nationalen Recht entgegenstehen.
Bezugnahme "in vollem Umfang" zu pauschal
Gegen diese Aussetzung legte der BGH-Richter Beschwerde zum VGH Baden-Württemberg ein - offenbar, weil er der Meinung war, dass die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 2 AEUV nicht vorlägen. Ein solches setze jedoch nicht voraus, dass das Gericht von der Unionsrechtswidrigkeit entscheidungserheblicher Normen überzeugt sei, entschied der VGH gegen den Antrag des Richters.
Seine Eingabe zum BVerfG habe sich mit dieser Thematik nicht hinreichend auseinandergesetzt, entschied nun die 1. Kammer des Zweiten Senats in Karlsruhe. Zudem hatte er zur Begründung der Erfolgsaussichten seiner noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde "in vollem Umfang" Bezug auf die Entscheidung des VG Karlsruhe genommen, was den Richterinnen und Richtern des BVerfG nicht ausreichte. Es sei nicht Aufgabe des BVerfG, "in Bezug genommene Dokumente und andere Anlagen auf verfassungsrechtlich relevante Tatsachen oder auf verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu durchsuchen", so die schroffe Antwort der Kammer.
Der hiesige Rechtsstreit dürfte damit noch nicht am Ende sein, wenngleich der Antragsteller offenbar von der Sorge umgetrieben wird, dass sich sein Anliegen ohne Eilrechtsschutz bis zur endgültigen Entscheidung schon durch Zeitablauf erledigt haben könnte. Es bleibt jedoch die Frage, ob der Antrag des BGH-Richters wirklich unter dessen juristischen Möglichkeiten blieb oder die Anforderungen des BVerfG vielleicht doch einfach sehr hoch sind (Beschluss vom 28.02.2024 - 2 BvQ 16/24).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Brinktrine, § 51 BBG, Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, 32. Edition (Stand: 15.07.2023) Rn. 7-11