Im zugrunde liegenden Fall haben Bar und Bordell separate Eingänge. Die Bar kann aber durch eine Verbindungstür vom Bordell aus betreten werden und umgekehrt.
Nach dem seit Juli 2017 geltenden Prostituiertenschutzgesetz müssen Personen, die vor dem 01.07.2017 ein Prostitutionsgewerbe betrieben haben, bis Ende 2017 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz vorlegen. Der Pächter der Etablissements, der diese bereits seit 2012 betreibt, beantragte daraufhin fristgemäß eine Erlaubnis für den Betrieb des Bordells. Für die Bar begehrte er eine Negativbescheinigung, dass es sich nicht um eine Prostitutionsstätte nach dem Prostituiertenschutzgesetz handele.
Ausweislich des eingereichten Betriebskonzepts seien in der Gaststätte selbst keine Prostituierten tätig, so der Pächter. Prostituierte hielten sich dort nur als Gäste auf, um mit Kunden Anbahnungsgespräche über sexuelle Dienstleistungen zu führen. Die Prostituierten seien unter anderem Mieterinnen des über dem Betrieb liegenden Bordells. Die Stadt Stuttgart ließ sich davon nicht überzeugen: Sie teilte dem Bordellbetreiber mit, dass es sich bei der Gaststätte um ein erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe handele. Dagegen wehrte sich der Betreiber erfolgreich.
Bloße Anbahnungsgespräche reichen nicht
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Stuttgart handelt es sich bei der Bar um kein Prostitutionsgewerbe (Urteil vom 12.10.2023 – 4 K 4593/21). Ein Prostitutionsgewerbe setze voraus, dass jemand "gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er eine Prostitutionsstätte oder eine Prostitutionsvermittlung betreibt".
Bloße Gespräche über die Anbahnung sexueller Kontakte erfüllen diese Kriterien laut VG nicht. Eine sexuelle Handlung liege nur bei einem vom Willen getragenen menschlichen Verhalten vor, das sich objektiv typischerweise als geschlechtliche Stimulation darstellt. Nicht entscheidend sei, ob es dabei zu körperlichen Berührungen oder zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommt.
Der Pächter habe in seiner Bar auch keine Prostitution vermittelt. Die Stadt Stuttgart habe im Rahmen ihrer Betriebskontrollen nicht feststellen können, dass Anbahnungsgespräche Teil des Geschäftsmodells des Betreibers sind. Insbesondere habe sie weder Prostituierte in der Gaststätte angetroffen noch habe sie Anbahnungssituationen aktenkundig machen können.
Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen
Eine Erlaubnispflicht nach dem Prostituiertenschutzgesetz folge auch nicht aus dem räumlich-organisatorischen Zusammenhang zwischen der Gaststätte und dem Bordell. Der Pächter betreibe die Bar und das Bordell unabhängig voneinander und habe diese jeweils für sich gewerberechtlich angemeldet. Allein aus der räumlichen Durchlässigkeit zwischen Bar und Bordell in Form einer Verbindungstür, der Nutzung der Toiletten der Gaststätte durch Mitarbeiter des Bordells sowie einer möglicherweise verbesserten Marktposition lasse sich eine Erlaubnispflicht nicht begründen.
Das Gericht wies in Rahmen seiner Entscheidung allerdings daraufhin, dass in der Gaststätte kein "Lap Dance" oder "Private Dance" angeboten werden dürfe, bei denen es zu Berührungen zwischen Tänzerinnen und Gästen kommt. Dies sei nicht von der derzeitigen Betriebsform der Gaststätte erfasst. Die Stadt hatte solche Darbietungen bei einer Nachschau im Januar 2023 festgestellt.
Das VG hat die Berufung in dem Verfahren zugelassen. Der Frage, ob Anbahnungssituationen oder Table-Dance-Aufführungen unter den Begriff der sexuellen Handlung fallen, komme grundsätzliche Bedeutung zu (Urt. v. 12.10.2023 - 4 K 4593/21).