Im Streit um den Kauf von Anteilen an der PCK-Raffinerie in Schwedt hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Niederlage erlitten. Der Erwerb eines 37,5%-igen Anteils durch ein österreichisches Unternehmen gilt nach den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung fiktiv als freigegeben, entschied das VG Berlin.
Die österreichische Alcmene GmbH hatte im Juli 2021 von Shell 37,5% der Stimmrechtsanteile an der PCK erworben. Kurz darauf meldete sie das Vorhaben zum Zweck der Investitionsprüfung beim (damaligen) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das ein Prüfverfahren eröffnete. Ein weiteres Unternehmen, das ebenfalls Mitgesellschafter der Raffinerie ist, machte zunächst von dem ihm eingeräumten Vorkaufsrecht Gebrauch. Alcmene erklärte das Investitionsprüfverfahren für gegenstandslos, meldete das Vorhaben allerdings nach dem russischen Angriff auf die Ukraine "erneut".
Da Shell nunmehr unter Berufung auf den Eintritt des vereinbarten "Long-Stop-Dates" den Vertrag mit Alcmene kündigte, leitete das Unternehmen zur Frage des Fortbestandes des Vertrages ein Schiedsgerichtsverfahren ein, das noch nicht beendet ist. Mitte Oktober 2022 stellte das (jetzige) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Investitionsprüfverfahren ein mit der Begründung, nach der Ausübung des Vorkaufsrechts und der Kündigung des Vertrages fehle es an einem Erwerb als Voraussetzung für das Verfahren.
Hiergegen klagte das österreichische Unternehmen im November 2022. Es wandte sich gegen die Einstellungsentscheidung und begehrte zugleich die gerichtliche Feststellung, dass sein Erwerb der Stimmrechtsanteile infolge der (erneuten) Meldung des Vorhabens als fiktiv freigegeben nach den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) gilt.
Einstellung des Verfahrens mittels eines Verwaltungsakts rechtswidrig
Die Klage hatte jetzt vor dem Verwaltungsgericht Berlin überwiegend Erfolg (Urteil vom 07.11.2023 – VG 4 K 536/22). Die Einstellung des Verfahrens mittels eines Verwaltungsakts sei rechtswidrig gewesen, so das VG. Es fehle an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Ein Verwaltungsverfahren, das auf Antrag eines Beteiligten eingeleitet worden sei, dürfe grundsätzlich nur mit Zustimmung des Antragstellers eingestellt werden. Dieser Grundsatz sei auf die hier vorliegende Konstellation der bloßen Meldung eines Vorhabens übertragbar. Weder in der AWV noch im VwVfG gebe es eine rechtliche Grundlage, um das Verfahren – im Ergebnis zulasten des Anmelders einer meldepflichtigen Transaktion – durch Verfahrenseinstellung zu beenden.
Auch der Antrag auf Feststellung der fiktiven Freigabe des Anteilserwerbs sei begründet. Das Ministerium habe das Verfahren nach der zweiten Meldung nicht – wie es erforderlich gewesen wäre – eröffnet. Die zweimonatige Frist zur erneuten Eröffnung des Prüfverfahrens sei daher bereits Mitte August 2022 verstrichen gewesen. In Folge gelte das Rechtsgeschäft fiktiv als genehmigt. Auch wenn die Realisierung des Erwerbs unsicher sei, hindere dies den Fiktionseintritt nicht; dies komme allenfalls in Betracht, wenn der Kaufvertrag offenkundig nicht mehr verwirklicht werden könne. Angesichts eines noch anhängigen Schiedsverfahrens lasse sich eine solche Wertung hier aber nicht treffen; eine vollumfängliche zivilrechtliche Prüfung könne und dürfe die Behörde selbst nicht vornehmen. Dass die Fiktion am Ende gegebenenfalls "ins Leere gehen" könne, weil das Schiedsgericht den Vertrag als beendet ansehe, sei im Gesetz angelegt.
Das VG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen (Urteil vom 07.11.2023 - 4 K 536/22).
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