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LSG Niedersachsen-Bremen | Sep 18, 2023
Angehörige eines Opfers des als "Todespfleger" bekannt gewordenen Niels H. haben Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente – allerdings erst ab 2010. Ansprüche für Zeiträume davor sind verjährt. Hierauf darf sich die Verwaltung auch berufen. Das LSG Niedersachsen-Bremen sieht keinen Rechtsmissbrauch.
Der Vater einer Frau war 2003 wegen eines Herzinfarktes ins Krankenhaus gekommen. Dort erhielt er von Niels Högel ein Medikament, das zu einer reanimationspflichtigen Notsituation führte und in dessen Folge der Mann verstarb.
Die Berufsgenossenschaft erfuhr 2014 aus einem Medienbericht von den Vorgängen. Zu dieser Zeit meldete sich auch die Tochter bei der Staatsanwaltschaft und berichtete vom überraschenden Tod ihres Vaters. Die Berufsgenossenschaft wartete die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ab, um die potentiellen Opfer ermitteln zu können. Dann zahlte sie rückwirkend ab 2010 eine Hinterbliebenenrente. Für die vorherige Zeit seien die Ansprüche verjährt.
Hiermit war die Tochter des Verstorbenen nicht einverstanden. Seien Schadensgroßereignisse nicht zeitnah aufzuklären, dürfe dies nicht zulasten des Einzelnen gehen. Die Einrede der Verjährung sei rechtmissbräuchlich.
Berufsgenossenschaft keine Versäumnisse anzulasten
Das LSG sieht dies anders, misst der Sache aber grundsätzliche Bedeutung bei und hat die Revision zugelassen. Die vierjährige Verjährung (§ 45 SGB I) sei erst ab 2014 gehemmt gewesen, als die Berufsgenossenschaft von den unnatürlichen Todesfällen erfahren habe. Für die Zeiten vor 2010 sei die Einrede nicht als unzulässige Rechtsausübung zu bewerten. Die Berufsgenossenschaft habe ihrer Ermittlungspflicht genügt. Sie sei unmittelbar nach Kenntnis der Vorgänge aktiv geworden und habe die leistungsberechtigten Personen ermittelt (Urt. v. 20.07.2023 - L 14 U 117/22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.7.2023, Az. L 14 U 117/22, BeckRS 2023, 22633 (ausführliche Gründe)
Hillenkamp, Serientötungen im Krankenhaus: wer hat sie mitzuverantworten?, MedR 2022, 637