Auch wenn die USA von Bürgern aus mehreren EU-Staaten seit einigen Jahren ein Visum verlangen, musste die EU- Kommission nicht automatisch die Visumfreiheit für Amerikaner aussetzen. Sie habe ein politisches Ermessen, entschied der EuGH.
Im Unionsrecht gilt für die Befreiung von der Visumspflicht das Gegenseitigkeitsprinzip: Drittstaaten erhalten grundsätzlich nur dann eine Befreiung für ihre eigenen Staatsangehörigen, wenn sie ihrerseits die Staatsangehörigen aller Unionsmitgliedstaaten von der Visumpflicht entbinden.
Das EU-Parlament monierte in einer Untätigkeitsklage, dass die Kommission US-Bürger bis heute ohne Visum in die EU einreisen lässt, obwohl vor einigen Jahren in den USA eine Visumpflicht für bulgarische, kroatische, zyprische und rumänische Staatsangehörige eingeführt wurde.
Kommission hat politischen Spielraum
Doch der EuGH sieht die Kommission nicht verpflichtet, die Befreiung von der Visumpflicht für Staatsangehörige der Vereinigten Staaten auszusetzen und daher auch keine vorwerfbare Untätigkeit.
Der Gerichtshof hat die Klage des Parlaments mit dem Argument abgewiesen, dass es keinen Automatismus gibt, nach dem die Union auf die teilweise fehlende Gegenseitigkeit reagieren müsste. In einem solchen Fall verfüge die Kommission vielmehr über einen politischen Ermessensspielraum.
Bei der Abwägung durfte, so der EuGH, die Kommission in Bezug auf die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten insbesondere berücksichtigen, dass eine Aussetzung erhebliche negative Auswirkungen in zahlreichen Politikbereichen und Sektoren haben könnte (Urt. v. 05.09.2023 - C-137/21).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
EuGH, Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht - Abgrenzung von delegierter Befugnis und Durchführungsbefugnis, BeckRS 2015, 80951