Ist ein Reservist bereit, auf seinen Rang zu verzichten und aus dem Dienst auszuscheiden, kann er einfach per Verwaltungsakt entlassen werden. Das Verfahren gegen ihn weiterzuführen, nur um ihn an dessen Ende ebenfalls zu entlassen, ist nach Ansicht des BVerwG unverhältnismäßig.
Der 2. Wehrdienstsenat hat dem Bund vorgeworfen, über Jahre hin „ein nicht erforderliches Disziplinarverfahren“ betrieben zu haben, „das insgesamt unverhältnismäßig ist und gerichtliche Ressourcen ohne Not bindet“.
Die Bundesrichter konnten nicht verstehen, dass die Bundeswehr den 2020 gestellten Antrag des Manns, ihn unter Verzicht auf seinen Rang aus dem Reservedienst zu entlassen, 2022 abgelehnt hatte. Schon in einer früheren Entscheidung in dieser Sache (NVwZ-RR 2019, 604) habe man auf diese einfache Option hingewiesen, so das BVerwG – was im Ablehnungsbescheid aber „nicht ansatzweise thematisiert“ worden sei. Das Verfahren sei einzustellen, der Wehrdienstsenat stellte ein Vefahrenshindernis nach § 108 Abs. 3 Satz 1 der Wehrdienstordnung fest.
Als NPD-Mitglied hetzte er gegen Ausländer
Verwendungsfähig war der Stabsunteroffizier der Reserve nicht mehr, den aktiven Dienst hatte er schon vor der Jahrtausendwende quittiert. Seit 2017 lief das Disziplinarverfahren gegen den Soldaten, der sich als Mitglied der NPD (heute: Die Heimat) und des Landtags Mecklenburg-Vorpommern unter anderem öffentlich ehrverletzend gegenüber Juden und Ausländern geäußert haben soll. Wegen Volksverhetzung war er 2013 vom LG Saarbrücken und wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener im selben Jahr vom LG Schwerin jeweils rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Statt des jahrelangen und aufwändigen Disziplinarverfahrens sollte die Bundeswehr auf ein bloßes Verwaltungsverfahren zurückgreifen, so das BVerwG. Das sei kosten- und zeitsparender und greife weniger intensiv in die Rechte des nicht mehr verwendungsfähigen Soldaten ein.
§ 26 SG, wonach der Soldat seinen Dienstgrad nur kraft Gesetzes oder durch ein Disziplinarurteil verlieren kann, stehe dem nicht entgegen. Diese Regelung ist laut den Leipziger Richtern zum Schutz des Soldaten gedacht - den er nicht benötigt, wenn er freiwillig eine Verzichtserklärung abgibt (Urt. v. 10.05.2023 - 2 WD 14.22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerwG, Aussetzung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf Aberkennung eines Dienstgrades infolge der Möglichkeit, dass der Soldat durch Verwaltungsakt den Dienstgrad verliert, BeckRS 2022, 5155
BVerwG, Wehrdisziplinarverfahren trotz Überschreitung der 65-Jahre-Altersgrenze, NVwZ-RR 2019, 604 (in derselben Sache)
BVerwG, Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer, NVwZ-RR 2018, 61