Die 2. Kammer des Ersten Senats wies das AG Tiergarten dabei in aller Deutlichkeit darauf hin, dass es Konstellationen gibt, in denen sich eine Eilbedürftigkeit aufdrängt. Berufe sich jemand darauf, dass für sichergestellte Dateien der journalistische Quellenschutz gelte, und verlange auf dieser Grundlage die vorläufige Versiegelung des Datenträgers, sei dies ein solcher Fall. In dem Moment, so die Verfassungsrichterinnen und -richter, in dem die Daten durch die Ermittler gesichtet werden, würden Fakten geschaffen.
Stelle sich dann heraus, dass die Sicherstellung tatsächlich rechtswidrig war, sei der Schaden schon irreversibel – auch wenn der USB-Stick später zurückgegeben würde. Da das Amtsgericht auch nach acht Monaten nicht über den Eilantrag entschieden hatte, habe es Art. 19 Abs. 4 GG, das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, verletzt.
USB-Stick in angeblichen Redaktionsräumen sichergestellt
Durchsucht wurden im Rahmen von zwei Ermittlungsverfahren wegen strafbewehrter Verstöße gegen das Parteiengesetz am 28.9.2022 mehrere Objekte unter anderem in Berlin. Hintergrund war der Vorwurf, dass für die Jahre 2016 bis 2018 falsche Rechenschaftsberichte für die Partei eingereicht worden seien.
Ein Teil der durchsuchten Räume in Berlin wurde nach Angaben des klagenden Vereins als Redaktionsräume für ein Online-Nachrichtenportal genutzt. Dort fanden die Beamten einen Safe, dessen Öffnung sie – mit der Drohung, ihn ansonsten aufzubrechen – erzwangen.
In dem Panzerschrank stellten die Beamtinnen und Beamten einen Umschlag mit einem USB-Stick sicher. Gestützt darauf, dass die Redaktionsräume nicht hätten durchsucht werden dürfen, und die Daten dem journalistischen Quellenschutz unterlägen, beantragte das Portal am 01.11.2022 die Rückgabe. Außerdem beantragte sie, den Umschlag sofort bis zur Entscheidung über die Herausgabe zu versiegeln.
Ermittlungsrichter reagiert nicht
Telefonische Rückfragen nach etwas mehr als einer Woche seien, so das Portal, unbeantwortet geblieben. Gleiches gelte für schriftliche Sachstandsanfragen nach dem Jahreswechsel. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde aufgrund der Untätigkeit des Ermittlungsrichters Ende Januar kam dann schließlich eine Reaktion: Die Beschwerde werde bearbeitet.
Schneller arbeitete das BVerfG: Schon fünf Tage nach Eingang der Verfassungsbeschwerde wies die 2. Kammer im März 2023 die Staatsanwaltschaft Berlin per einstweiliger Anordnung an, das Kuvert versiegelt zu hinterlegen und vorläufig nicht auszuwerten. Im April entschied das Amtsgericht in einem der Ermittlungsverfahren, so dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde insoweit als unzulässig ansah. Die Entscheidung im Parallelverfahren war am 26. Juni, als sich das BVerfG erneut mit der Sache beschäftigte, noch immer nicht ergangen. Der Beschluss wurde am gestrigen Mittwoch veröffentlicht.