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Redaktion beck-aktuell (dpa) | Jun 16, 2023
Klimaschutzminister Robert Habeck hat am 14.06.2023 ein lang erwartetes Klimaschutzprogramm auf den Weg gebracht. Außerdem legte der Grünen-Politiker eine vom Koalitionspartner FDP geforderte Reform des Klimaschutzgesetzes vor. Werden Ziele zur CO2-Einsparung in Bereichen wie dem Verkehr verfehlt, soll künftig die gesamte Regierung nachsteuern - und nicht wie bisher die zuständigen Ressorts. Umweltverbände äußerten scharfe Kritik an der Reform.
Programm soll "Klimalücke" verringern
Anfang der Woche hatte sich die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf wesentliche Änderungen am umstrittenen Heizungsgesetz geeinigt. Der wochenlange Konflikt blockierte andere Vorhaben wie eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Habeck sagte, beim Heizungsgesetz hätten sich alle Seiten bewegt. Dadurch sei eine "klimapolitische Handlungsfähigkeit" wiederhergestellt worden, die in den vergangenen drei oder vier Monaten “arg unter die Räder“ geraten sei. Das Klimaschutzprogramm soll dazu beitragen, dass eine "Klimalücke" beim Einsparen von Treibhausgasen kleiner wird. “Das Ziel, bis 2030 die Klimagas-Emissionen um 65% zu senken, ist damit erstmals in Reichweite gerückt“, so Habeck. Laut der neuen Projektion bleiben bis 2030 nun noch etwa 200 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase, die noch eingespart werden müssen. Als er Minister geworden sei, habe diese Lücke bis 2030 noch 1.100 Millionen Tonnen betragen. Man sei insgesamt enorm vorangekommen, sagte Habeck.
Ziele des Klimaschutzgesetzes bleiben unverändert
Mit den Maßnahmen des Klimaschutzprogramms könnten bei ihrer Umsetzung voraussichtlich bis zu 80% der Klimalücke geschlossen werden, welche die Ampel von der Vorgängerkoalition aus Union und SPD geerbt habe. “Wir haben das Schiff wieder auf Kurs gebracht“, sagte Habeck. Es gehe nun darum, Geschwindigkeit aufzunehmen. Das Programm sieht zahlreiche Maßnahmen vor, darunter viele bereits bekannte oder geplante wie einen Umbau der Lkw-Maut. Habeck gab das Programm zur Abstimmung an die anderen Ressorts - ebenso wie die Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Ziele im Gesetz bleiben unverändert: Deutschland muss demnach den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 gegenüber 1990 um 65% senken. Die erlaubte Zielmenge beträgt dann höchstens 440 Millionen Tonnen CO2. Bis 2045 muss dann verbindlich Klimaneutralität erreicht werden. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41%.
Aber neuer Ansatz: Sektorübergreifende, mehrjährige Betrachtung
Neu ist aber, dass die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert wird - sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes entscheidet künftig, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll. Nach dem geltenden Gesetz müssen die zuständigen Ressorts Sofortprogramme für Verbesserungen vorlegen, wenn in einem Jahr Ziele verfehlt werden. 2022 war im Verkehrs- sowie Gebäudebereich die gesetzlich vorgeschriebene CO2-Emissionsmenge überschritten worden. Die Ressorts, in deren Zuständigkeit Klimaziele verfehlt werden, hätten aber weiter eine "politische Verantwortung", so Habeck. Es habe in der Vergangenheit eine "politische Realität" gegeben, dass man sich nicht an das Gesetz gehalten habe - sonst dürfte es keine Klimalücke geben.
FDP sieht Paradigmenwechsel
Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Ambition der Regierung bleibe hoch, aber die Umsetzung erfolge marktwirtschaftlicher. Künftig könne und solle Klimaschutz dort beschleunigt werden, wo die Effizienz am größten ist. “So können wir unrealistische Vorgaben in Sektoren wie Mobilität und Gebäuden, die zu drastischen Eingriffen in den Alltag der Menschen führen müssten, abwenden.“ FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, das neue Klimaschutzgesetz leite einen Paradigmenwechsel ein. Es ende die Zeit kleinteiliger und teurer Sofortprogramme in einzelnen Sektoren.
Umweltverbände empört
Umweltverbände reagierten empört über die bereits angekündigte Reform. So kommentierte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser: "Während in Deutschland Waldbrände wüten und das Trinkwasser knapp zu werden droht, will die Ampel mit dieser Novelle den Klimaschutz weiter auf die lange Bank schieben. Vor allem im Verkehr, dem Schlusslicht im Klimaschutz, wäre das fatal." Der Nabu sprach von einem deutlichen Rückschritt. Präsident Jörg-Andreas Krüger sagte, die geplante, sektorübergreifende Betrachtung über einen mehrjährigen Zeitraum sei eine Ausrede für die Ressorts, die nicht liefern - allen voran Verkehr und Bauen.