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NVwZ Nachrichten

EuGH kassiert Gutschein-Lösung bei coronabedingtem Rücktritt von Pauschalreise

Von EuGH | Jun 09, 2023
Eine na­tio­na­le Re­ge­lung, die Rei­se­ver­an­stal­ter vor­über­ge­hend von ihrer Ver­pflich­tung be­freit, im Fall des Rück­tritts alle Zah­lun­gen voll zu er­stat­ten, ist nicht mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar. Dies hat der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof am Don­ners­tag zur fran­zö­si­schen Co­ro­na-Gut­schein­lö­sung ent­schie­den. Mit­glied­staa­ten kön­nen eine sol­che Lö­sung auch nicht auf "hö­he­re Ge­walt" stüt­zen, so der EuGH.

Verbraucherschützer wenden sich gegen Rechtsverordnung

In dem entschiedenen Fall haben die beiden französischen Verbraucherschutzvereine UFC-Que Choisir und CLCV beim französischen Conseil d’État (Staatsrat) auf Nichtigerklärung einer Rechtsverordnung geklagt, die im Kontext der Covid-19-Pandemie erlassen worden war. Reiseveranstaltern sollte mit der Vorschrift ermöglicht werden, im Fall des Rücktritts ("Auflösung") vom Pauschalreisevertrag wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände einen Gutschein mit einer Gültigkeit von 18 Monaten auszustellen. Erst nach Ablauf der Frist bestand im Fall der Nichteinlösung ein Anspruch auf Kostenerstattung. Damit wurde von der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2302) abgewichen, nach der alle für die Pauschalreise geleisteten Zahlungen innerhalb von spätestens 14 Tagen nach Beendigung des Pauschalreisevertrags voll zu erstatten sind. Nach den Angaben der französischen Regierung sollte mit dieser Maßnahme die Lebensfähigkeit der Tourismusbranche erhalten werden.

Besserer Schutz für Verbraucher durch Erstattung in Geld

Nach Ansicht des EuGH können sich die Mitgliedstaaten nicht auf höhere Gewalt berufen, um die Pauschalreiseveranstalter – auch nur vorübergehend – von der in der Pauschalreiserichtlinie vorgesehenen Verpflichtung zur Erstattung zu befreien. Unter "Erstattung" sei eine Rückzahlung in Geld zu verstehen. Der Unionsgesetzgeber habe nicht gewollt, dass diese Verpflichtung durch eine Leistung in einer anderen Form ersetzt werden kann, wie beispielsweise durch einen Gutschein. Mit der Pauschalreiserichtlinie werde das Ziel eines hohen und möglichst einheitlichen Verbraucherschutzniveaus verfolgt. Die Erstattung in Geld sei dazu geeigneter.

"Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände", aber keine "höhere Gewalt"

Zu den Gründen für den Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag stellte der EuGH fest, dass es sich bei einer weltweiten gesundheitlichen Notlage wie der Covid-19-Pandemie um "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" handele. Die Pauschalreiserichtlinie sehe hier eine volle Erstattung vor. Die Richter wiesen das Vorbringen der französischen Regierung zurück, dass es sich bei der Covid-19-Pandemie nicht nur um "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände", sondern gleichzeitig auch um einen Fall von höherer Gewalt gehandelt habe, die Fälle umfasse, die über das hinausgingen, woran beim Erlass der Pauschalreiserichtlinie gedacht worden sei, und bei der eine von der Verpflichtung zur vollen Erstattung abweichende nationale Regelung erlassen werden könne. Im vorliegenden Fall seien die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt. Erstens laufe die in Rede stehende Regelung darauf hinaus, dass die Verpflichtung zur Erstattung generell vorläufig ausgesetzt wird, ohne dass die konkrete individuelle finanzielle Situation der betreffenden Reiseveranstalter berücksichtigt wird. Zweitens hätten die finanziellen Folgen, die die französische Regierung beklagt, beispielsweise durch bestimmte Beihilfemaßnahmen zugunsten der betroffenen Reiseveranstalter verhindert werden können. Drittens sei die in Rede stehende Regelung nicht so gestaltet, dass ihre Auswirkungen auf den Zeitraum beschränkt wären, der erforderlich ist, um den Schwierigkeiten zu begegnen. Der EuGH wies abschließend darauf hin, dass ein nationales Gericht, das über eine Klage auf Nichtigerklärung einer nationalen Regelung zu entscheiden hat, die es für unionsrechtswidrig hält, verpflichtet ist, die Regelung für nichtig zu erklären, und dass im vorliegenden Fall bei der entsprechenden Entscheidung eine Anpassung der Wirkungen wegen außergewöhnlicher Umstände nicht in Betracht komme.

EuGH moniert auch slowakische Regelung

In einer weiteren Rechtssache (Az.: C-540/21, Kommission/Slowakei) hat sich der Gerichtshof im Wesentlichen von denselben Erwägungen leiten lassen. Er stellte fest, dass die Slowakische Republik dadurch, dass sie eine Gesetzesänderung vorgenommen hat, mit der dem Reisenden vorübergehend sein Recht, ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, und sein Anspruch auf volle Erstattung genommen wurde, gegen ihre Verpflichtung aus der Pauschalreiserichtlinie verstoßen hat (Urt. v. 08.06.2023 - C-407/21).

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