Die Initiatoren der "iur.reform"-Kampagne haben gemeinsam mit Vertretern aus Lehre, Richter- und Anwaltschaft sowie der Studierenden in Berlin die Ergebnisse ihrer Studie zur Reform der juristischen Ausbildung vorgestellt. Auf deren Basis fordern sie ein sechs Punkte umfassendes Sofortprogramm sowie ein Forum ("Akademie Loccum 2.0") für die Diskussion und Erarbeitung einer umfassenden Reform, das alle Akteure der juristischen Ausbildung an einen Tisch holt.
Basis der Studie
Die Studie beinhaltet eine Auswertung der "iur.reform"-Kampagne, bei der 43 Reformideen unter Akteuren der juristischen Ausbildung zur Abstimmung gestellt wurden. Die Vorschläge haben die Initiatoren, das Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung, aus über 200 Beiträgen in Fachzeitschriften und Artikeln aus den Jahren 2000 bis 2020 ermittelt. An der Abstimmung nahmen laut Initiatoren 11.842 Personen teil, darunter 5.033 Studierende (= 4% der Jura-Studierenden), 1.653 Referendare (11% aller Referendare), 2.089 Anwälte (1,48% der Anwaltschaft), 937 Richter (4% der Richterschaft), 209 Staatsanwälte (3% aller Staatsanwälte), 245 Professoren (18% aller Jura-Professoren) und 70 Mitarbeiter von Justizprüfungsämtern (JPA).
Sechs-Punkte-Sofortprogramm
Auf der Basis der Studienergebnisse hat das Reformbündnis ein Sofortprogramm mir sechs Kernforderungen erstellt, deren zügige Umsetzung sie von Justizministerkonferenz (JuMiKo), Bund und Hochschulen fordern. Diese Forderungen zeichnen sich laut Bündnis durch die Zustimmung der drei großen Abstimmungsgruppen (Jura-Auszubildende, Ausbildende und Praktiker) mit absoluter Mehrheit sowie eine schnelle Umsetzbarkeit aus. Das geforderte Sechs-Punkte-Programm beinhaltet eine unabhängige Zweitkorrektur der Klausuren im Staatsexamen, die Einführung des E-Examens in allen Bundesländern, die Einführung neuer Lerninhalte nur bei gleichzeitiger Streichung anderer bestehender Inhalte, die Zulassung anderer Prüfungs- und Unterrichtsformen neben Klausur und Vorlesung, die Verbesserung des Betreuungsschlüssels an den Hochschulen und ein regelmäßiges Monitoring des Jurastudiums im Hinblick auf einen etwaigen Reformbedarf. "Unser Sofortprogramm wird die juristische Ausbildung gerechter machen, die körperliche und psychische Belastung für Studierende reduzieren und ihnen mehr der Kompetenzen vermitteln, die in der Berufspraxis unverzichtbar sind", erklärte Til Bußmann-Welsch, stellvertretender Vorsitzender des Reformbündnisses.
Umfassender Reformbedarf
Das Sofortprogramm stellt für das Reformbündnis aber nur einen ersten Schritt hin zu einem neuen juristischen Ausbildungssystem dar. Dass die Jura-Ausbildung überholt werden müsse, zeige die laut Studie mehrheitliche Unzufriedenheit der Abstimmenden mit der aktuellen juristischen Ausbildung (52%). Der Vorsitzende des Bundesverbandes rechtswissenschaftlicher Fachschaften Jonathan Franz hob bei der Vorstellung der Studie die enormen psychischen Belastungen des Jura-Studiums, nicht mehr zeitgemäße Inhalte und Methoden sowie schlechte Studienbedingungen hervor. "Die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats in den nächsten Jahrzehnten hängt von einer modernen und attraktiven Ausbildung ab", so Franz. Ein zeitgemäßes und attraktives Studium fordert auch der Deutsche Anwaltverein (DAV), der auf erhebliche Probleme bei der Nachwuchsgewinnung hinwies. Barbara Dauner-Lieb als Vertreterin der Hochschullehrer forderte bei der Präsentation der Studie, das Jura-Studium müsse wissenschaftlicher werden. Leitbild der juristischen Ausbildung ist für sie ein "verlässlicher Allrounder rund ums Recht".
Mehrheit für integrierten Bachelor und gegen Bologna-System
Jenseits der Kernforderungen findet sich laut Studie zwar für viele Reformvorschläge keine Einigkeit aller drei großen Gruppen, aber oft eine absolute Mehrheit in einzelnen Gruppen. So befürworteten die Abstimmenden mehrheitlich einen integrierten Bachelor (71%). Bei Professorenschaft und JPA-Mitarbeitenden finde sich dafür aber weder eine mehrheitliche Zustimmung noch eine mehrheitliche Ablehnung. Auch beim "Abschichten" seien knapp 70% der Abstimmenden dafür, aber nicht in allen drei großen Gruppen gebe es eine mehrheitliche Zustimmung. Mit absoluter Mehrheit (52,1% der Abstimmenden) abgelehnt wurde nach der Studie eine Umstellung des Ausbildungsmodells auf das Bologna-System (Bachelor/Master), wobei aber auch 39% der Studierenden dies befürwortet hätten. Auch eine Wiederbelebung der einstufigen Juristenausbildung fand nach den Ergebnissen der Studie wenig Zustimmung der Abstimmenden (30,9%) – mit Ausnahme der Absolventen einer solchen Ausbildung (52,7%) –, aber auch keine mehrheitliche Ablehnung (39,9%). Für die Abschaffung des Einheitsjuristen zugunsten einer laufbahnorientierten Ausbildung gab es laut Studie nur eine leicht die Ablehnung überwiegende relative Zustimmung von 41,3%. Dabei sähen Studierende und Referendare eine laufbahnorientierte Ausbildung tendenziell eher positiv (Studierende: 46,7% Zustimmung, 27,1% Ablehnung; Referendare: 45,5% Zustimmung, 34,3% Ablehnung). Hingegen lehnten Richter, Staatsanwälte, Professoren und JPA-Mitarbeitende eine Abschaffung des Einheitsjuristen mehrheitlich ab.
"Akademie Loccum 2.0"
Das Reformbündnis fordert über das Sofortprogramm hinaus ein Forum ("Akademie Loccum 2.0"), das alle Akteure der juristischen Ausbildung an den Tisch holt, um auf der Basis der Studienergebnisse über eine umfassende Reform der Jura-Ausbildung zu diskutieren und Vorschläge zu erarbeiten. Bislang sei die JuMiKo die zentrale Stelle zur politischen Entscheidungsfindung, die Vielzahl der an der juristischen Ausbildung beteiligten Akteure werde dort aber nicht abgebildet. Das Bündnis knüpft mit "Akademie Loccum 2.0" an die Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum im Jahr 1968 an, auf der die Erprobung der einstufigen Juristenausbildung als Alternative zur zweistufigen Ausbildung angestoßen wurde.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Omlor/Meister, (Digital-)Reform der juristischen Ausbildung, ZRP 2021, 59
- Breidenbach, Eine neue Juristenausbildung, NJW 2020, 2862
- Hufen, Der wissenschaftliche Anspruch des Jurastudiums, JuS 2017, 1