Ein Eilantrag eines Gefangenen, der sich gegen die drohende anstaltsinterne Verlegung wehrt, muss zeitgerecht beschieden werden. Das Bundesverfassungsgericht hob einen Beschluss auf, der nach drei Monaten die Erledigung wegen Vollzugs der Verlegung feststellte und den Antrag abwies. Krankheit und Auslastung des Richters ließen die Verfassungsrichter nicht gelten. Effektiver Rechtsschutz bedeute mehr als die bloße Möglichkeit, ein Gericht anzurufen.
Gefangener will in sozialtherapeutischer Abteilung bleiben
Ein Strafgefangener in der JVA Tegel war rund sechs Monate in der sozialtherapeutischen Abteilung, bevor die Vollzugsplankonferenz seine Verlegung in den Normalvollzug beschloss. Als er davon erfuhr, suchte er vor dem Landgericht Berlin Eilrechtsschutz gegen die geplante Verlegung. Der dort zuständige Richter war krank und nach über einem Monat vermerkte er in der Akte, er müsse jetzt andere Sachen bearbeiten. Der Mann wurde verlegt und forderte nun vom Gericht, es möge feststellen, dass diese Verlegung rechtswidrig gewesen sei und sie rückgängig gemacht werden müsse. Knapp drei Monate nach Rechtshängigkeit wies das Gericht seinen Antrag zurück, weil die Rechtswidrigkeit im Eilverfahren nicht festgestellt werden könne. Der Gefangene erhob Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht – mit Erfolg.
Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz
Das BVerfG hält die Beschwerde für offensichtlich begründet: Effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG erschöpfe sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung des Gerichts, sondern müsse eine echte Kontrolle der Maßnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht garantieren – und das auch zeitgerecht. Hier habe das Gericht die drohende Verlegung noch verhindern können, da der Gefangene erst sechs Wochen nach seinem Antrag tatsächlich verlegt worden war. Krankheit des Richters oder die Notwendigkeit, andere Sachen zu bearbeiten, rechtfertigen die Verzögerung nach Ansicht der Verfassungsrichter nicht. Zeitmangel dürfe nicht dazu führen, dass eine wirksame Kontrolle nicht durchgeführt werde. Der Beschluss des Landgerichts wurde deshalb aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen.
Auslegung des § 114 StVollzG
Die Verfassungsrichter rügten auch die fehlerhafte Auslegung des § 114 StVollzG durch das Berliner Landgericht: Zwar habe der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 114 Abs. 1 StVollzG keine aufschiebende Wirkung. Aber das Landgericht hat nach Ansicht des BVerfG nach Abs. 2 die Möglichkeit gehabt, die angefochtene Verlegung vorläufig auszusetzen, wenn sie die Rechte des Gefangenen hätte vereiteln können und dem ein höherwertiges Interesse nicht entgegenstand. Der Vollzug der Verlegung führe deshalb nicht zum Wegfall des Rechtschutzinteresses, wenn der Beschwerdeführer nach wie vor um die Rückverlegung kämpfe. Die vorläufige Aussetzung der Verlegung entspricht den Karlsruher Richtern zufolge dem typischen, vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelungsgehalt des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen. Die Annahme, mit der Verlegung sei die Erledigung eingetreten, weil der Gefangene nun sein Ziel nicht mehr erreichen könne, ist laut den Verfassungsrichtern "mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar" (Beschl. v. 24.03.2023 - 2 BvR 116/23).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- BVerfG, Erfolglose Verfassungsbeschwerde bezüglich der Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens, BeckRS 2023, 2536
- BVerfG, Kontrolldichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, BeckRS 2021, 10296
- BVerfG, Zulässigkeit der Beschwerde in asylrechtlichen Prozeßkostenhilfeverfahren, NVwZ 1988, 718 (zu Art. 19 Abs. 4 GG)
- BVerfG, Justitiabilität von im Strafvollzug verhängten Hausstrafen, NJW 1974, 1079