Ein Jobcenter muss einer Schülerin einkommensschwacher Eltern eine Gebühr von 10 Euro erstatten, die sie für eine auf dem Schulgelände stattfindende Zirkusprojektwoche bezahlt hatte. Eine Begrenzung des Bedarfs nur auf "Schulausflüge" verkürzt den Leistungsanspruch planwidrig, kritisierte das Bundessozialgericht. Gerade in der Schule müsse eine gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildung erfolgen.
Schülerin verlangt die Erstattung einer Teilnahmegebühr
Eine 2010 geborene Schülerin verlangte vom Jobcenter Oberspreewald-Lausitz die Erstattung von 10 Euro, die sie für die Teilnahme an einer Zirkusprojektwoche der Schule bezahlt hatte. Die Projektwoche wurde 2018 für alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 1 bis 6 in einem auf dem Schulgelände aufgestellten Zirkuszelt durchgeführt. Das Jobcenter lehnte die Übernahme der Teilnahmekosten von 10 Euro ab. Es handele sich nicht um Aufwendungen für einen Schulausflug oder eine mehrtägige Klassenfahrt nach § 28 Absatz 2 SGB II, so die Begründung. Denn die Zirkusprojektwoche sei eine schulische Veranstaltung, die auf dem Schulgelände stattfinde.
LSG: Kein Anspruch auf Leistungen bei Veranstaltungen in der Schule
Während die Klage auf Kostenerstattung beim SG Cottbus Erfolg hatte, stimmte das LSG Berlin-Brandenburg dem Jobcenter zu. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Regelung folge, dass keine tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen seien, die in der Schule anfielen. Dies gelte auch, soweit § 28 Abs. 7 SGB II als Anspruchsgrundlage in Betracht gezogen werde. Die Teenagerin rügte eine Verletzung des § 28 Absatz 2 SGB II. Sie berief sich im Wesentlichen auf das Ziel der Regelung, eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation zu gewährleisten. Die Revision der Schülerin beim BSG war erfolgreich.
Planwidrige Begrenzung der Leistungserbringung
Laut BSG hat die Schülerin einen Anspruch auf Erstattung von 10 Euro für die Teilnahme an einer von der Schule organisierten Zirkusprojektwoche nach § 30 SGB II in Verbindung mit § 28 Absatz 2 SGB II. Es liege ein Fall der berechtigten Selbsthilfe nach § 30 Abs. 1 SGB II vor. Eine nach dem Wortlaut vorgegebene Begrenzung der Leistungserbringung auf "Schulausflüge" - das heißt auf schulische Veranstaltungen, die mit dem Verlassen des Schulgeländes verbunden sind - verkürze den Leistungsanspruch der Klägerin planwidrig, kritisierte das BSG. Zentrales Anliegen des § 28 Absatz 2 bis 6 SGB II sei es jedoch, eine gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Bildung zu bewirken - gerade in der Schule. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Veranstaltung außerhalb des Schulgeländes oder auf diesem stattfinde, wenn sie als dem "Lernen an einem anderen Ort" vergleichbar zu bewerten sei. Es müsse sich daher um eine von der Schule organisierte und verantwortete Veranstaltung handeln, die der sozialen Teilhabe der Schulkinder im Klassen- oder Schulverband diene (schulische Gemeinschaftsveranstaltung) und die gleichermaßen außerhalb des Schulgeländes als Schulausflug stattfinden könnte. Diese Kriterien werden von der Zirkusprojektwoche erfüllt (BSG, Urteil vom 08.03.2023 - B 7 AS 9/22 R).
Weiterführende LinksAus der Datenbank beck-online- LSG Berlin-Brandenburg, Kein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe bei Veranstaltungen in der Schule, BeckRS 2022, 8698 (Vorinstanz, mit Anmerkung von Senger, NZS 2022, 674)
- Drohsel, Kinder im Existenzsicherungsrecht, NZS 2022, 533
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