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"Lebenderklärung" bezeugt: Polizist durfte vom Dienst suspendiert werden

Redaktion beck-aktuell
Ein lang­jäh­ri­ger Po­li­zist be­zeug­te für einen Ex-Kol­le­gen per Dau­men­ab­druck, dass die­ser "lebe" – was in Reichs­bür­ger­krei­sen als Aus­tritt aus der BRD ge­wer­tet wird. Das OVG Greifs­wald be­ur­teil­te das als schwer­wie­gen­den Hin­weis auf eine ver­fas­sungs­feind­li­che Ge­sin­nung und hielt ein einst­wei­li­ges Dienst­ver­bot auf­recht.

Die mecklenburgischen Richterinnen und Richter bestätigten (Beschluss vom 09.07.2025 - 2 M 29/25 OVG) das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegen einen Polizeibeamten, der eine mit "Lebenderklärung" überschriebene Erklärung eines ehemaligen Polizeibeamten als Zeuge unterzeichnet und mit einem Daumenabdruck gestempelt hatte.

Dabei verwies das Gericht auf eine Stellungnahme der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus, in der der Inhalt einer Lebenderklärung so beschrieben wurde: "Darin versichern sie (Selbstverwalter und Reichsbürger d. Red.), lebendige und freie Menschen zu sein. Die Dokumente enthalten in einer gestelzten und pseudojuristischen Sprache zusammengewürfelte Zitate aus diversen Gesetzestexten, päpstlichen Bullen oder der Bibel. Teilweise wird auch ein Tropfen Blut oder ein Haar des Unterzeichners aufgebracht, die als dessen DNA-Probe dienen und seine Identität bestätigen sollen." In der Szene werde dieses Dokument als "Austritt" des Unterzeichners aus der BRD gewertet.

Die Teilnahme an einer solchen Prozedur rechtfertige in Bezug auf den bezeugenden Polizisten den Verdacht, dass er der Reichsbürgerszene angehört und die staatliche Rechtsordnung ablehnt. Die Maßnahme diene daher dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und sei trotz eines laufenden Disziplinarverfahrens rechtlich zulässig, urteilte der Senat und bestätigte eine Entscheidung des VG Schwerin. Das vorläufige Dienstverbot könne auf § 49 Abs. 1 Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern (LBG M-V) in Verbindung mit § 39 S. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) gestützt werden – dies sei parallel zu einem eingeleiteten Disziplinarverfahren möglich, da die beiden Vorschriften in einem Spezialitätsverhältnis stünden.

Verdacht auf Nähe zur Reichsbürgerszene erlaubt sofortiges Handeln

Das OVG stellte die Verfassungsloyalität als Grundbedingung für den Polizeidienst klar. Bereits eine symbolische Handlung wie die Mitwirkung an einer "Lebenderklärung" als pseudo-öffentliche Urkunde und die quasi rituelle Handlung des Unterzeichnens und Stempelns des Schriftstücks mit dem eigenen Daumenabdruck könne genügen, um Zweifel an der Verfassungstreue zu begründen – mit unmittelbaren disziplinarischen Konsequenzen.

Die Versicherung des Beamten, er erkenne die deutsche Verfassung an und distanziere sich von der Reichsbürgerszene, wertete das Gericht als Schutzbehauptung. Die Gestaltung der Erklärung, der symbolische Akt des Daumenabdrucks und die Rolle des Beamten als Zeuge deuteten nach Ansicht der Richter vielmehr darauf hin, dass der Beamte die dahinterstehenden Ziele des früheren Polizeibeamten, die staatliche Rechtsordnung zu verlassen, "nicht nur scherzhaft oder nebenbei, ohne sich dabei etwas zu denken", unterstützte, sondern "weil er an deren Wirksamkeit glaubte."

Die weitere Beschäftigung eines Beamten, der im Verdacht steht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzulehnen, sei nicht hinnehmbar. Auch eine teilweise Beschäftigung sei kein gleichwertiges milderes Mittel, urteilte das Gericht.

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Aus der Datenbank beck-online

Manns/Köbberling, Verfassungstreueprüfung für Polizeivollzugsbeamte, ZRP 2025, 79

VG Münster, Disziplinarverfahren, Bescheid, Vollziehung, Dienstenthebung, Widerruf, Verbot, Beamter, Entlassung, (…), sofortige Vollziehung, (…), BeckRS 2020, 61014 (ablehnend)

OVG Münster, Studienrat, Führung der Dienstgeschäfte, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Verbotsverfügung, Personalvertretung, BeckRS 2013, 52542 (zustimmend)

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