Im sechsten Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission wird Deutschland für die Unabhängigkeit seiner Justiz und die Reform des BVerfG gelobt. Kritik gab es in puncto Personalausstattung der Justiz und Digitalisierung. Der DAV sieht sich bestätigt.
Die EU-Kommission hat am Dienstag ihren sechsten Bericht zur Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Er basiert auf Beiträgen der Mitgliedstaaten, Rückmeldungen von Interessenträgern sowie dem EU-Justizbarometer und ist Teil eines Mechanismus zur Sicherung rechtsstaatlicher Standards. Die Kommission beleuchtet darin vier zentrale Bereiche: Justizsystem, Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus und Gewaltenteilung.
Das Kapitel zu Deutschland enthält neben anerkennenden Bewertungen auch konkrete Empfehlungen – insbesondere zur Stärkung der Justizressourcen, vor allem im Bereich der Digitalisierung.
Justiz: Reformbedarf bei Personal und Digitalisierung
Der Bericht stellt Deutschland ein gutes Zeugnis für die Unabhängigkeit seiner Justiz aus: Sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Unternehmen genießt sie hohes Vertrauen. Auch die Funktionsfähigkeit des Systems bewertet die EU-Kommission insgesamt positiv. Als wichtigen Schritt nennt sie die im Grundgesetz verankerte Reform zur Stärkung der Resilienz des BVerfG. Sie soll dessen Unabhängigkeit dauerhaft sichern. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Stefan von Raumer betont: "Der Bericht spiegelt unsere beim Deutschen Anwaltstag thematisierte Forderung wider, beim Schutz der Resilienz nicht bei der Reform des Bundesverfassungsgerichts stehen zu bleiben."
Trotz einzelner Verbesserungen bei der Besoldung stellt die Kommission strukturelle Defizite bei der Personalausstattung fest – insbesondere bei Neueinstellungen. Auch bei der Digitalisierung der Justizsysteme sieht sie weiteren Handlungsbedarf. Zwar liefen Investitionsprogramme, doch deren Umsetzung verlaufe uneinheitlich.
Von Raumer begrüßte die Einschätzung: "Wir unterstützen die Empfehlung der EU-Kommission, die Ressourcen der Justiz aufzustocken und die Herausforderungen bei der Personaleinstellung anzugehen."
DAV begrüßt Rolle der Anwaltschaft im Bericht
Neben der Justiz rückt die Kommission auch die Anwaltschaft als tragende Säule des Rechtsstaats in den Fokus. Der DAV würdigt ausdrücklich, dass die Kommission die Rolle der freien Berufe betont und dabei auf die Europaratskonvention zum Schutz der Anwaltschaft verweist. Von Raumer erklärte: "Ich freue mich sehr, dass die EU-Kommission die Rolle der Anwaltschaft als wichtigen Akteur im Rechtsstaat hervorhebt und die Konvention des Europarates als zentrales Instrument zu deren Absicherung zitiert."
Weitere positive Entwicklungen erkennt die Kommission im Verfahrensrecht. Neue Regelungen zu sogenannten Commercial Courts sollen wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten mit hohem Streitwert künftig effizienter bearbeiten. Auch ein neues Verfahren zur Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren wird als Fortschritt genannt.
Korruptionsprävention teils verbessert, zentrale Lücken bestehen fort
Im Bereich der Korruptionsbekämpfung lobt die Kommission Fortschritte bei Transparenzregelungen wie dem Lobbyregister, dem Umgang mit dem "Drehtüreffekt" sowie beim Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern. Gleichzeitig bemängelt sie, dass der strategische Rahmen zur Korruptionsprävention sowie die Vorschriften zu staatlichen Zuwendungen auf Bundesebene bislang nicht überarbeitet wurden.
Auch die Arbeiten an einem legislativen Fußabdruck – also der vollständigen Dokumentation von Einflussnahmen auf Gesetzgebungsverfahren – seien noch nicht abgeschlossen. Weitere Schwächen sieht die Kommission bei der Parteien- und Wahlkampffinanzierung sowie bei der Durchsetzung der Regeln zu Interessenkonflikten bei Abgeordneten und Regierungsmitgliedern.
Medienreformen angestoßen, Finanzierung weiter strittig
Im Bereich Medien erkennt die Kommission Fortschritte bei der Stärkung öffentlich-rechtlicher Sender und der Erweiterung der Befugnisse von Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig verzeichnete das Organ der Freiwilligen Selbstkontrolle einen Höchststand an Rügen gegenüber Print- und Onlinemedien. Kritisch bewertet wird auch die Entscheidung, die Rundfunkgebühr nicht zu erhöhen – sie ist Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde.
Das wirtschaftliche Umfeld für Mediendienste gilt zwar als stabil. Die Reform des Medienkonzentrationsrechts ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Ein Entwurf zum Informationsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden liegt derzeit wegen der vorzeitigen Auflösung des Bundestags auf Eis.
Zivilgesellschaft: Engagement gefördert, steuerliche Hürden bleiben
Auch in Bezug auf die Zivilgesellschaft zieht die Kommission eine gemischte Bilanz. Positiv vermerkt wird eine neue Strategie zur Förderung des freiwilligen Engagements, die auf breite Zustimmung gestoßen sei. Gleichzeitig seien steuerrechtliche Reformen zur Erleichterung gemeinnütziger Arbeit bislang ausgeblieben. Zudem bemängelten Interessenvertreterinnen und -vertreter zu kurze Konsultationsfristen bei Gesetzgebungsverfahren.
Insgesamt ruft die Kommission die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen des Berichts umzusetzen und den Dialog zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler wie europäischer Ebene fortzuführen.