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Wenn aus Politik Recht wird und doch Politik bleibt …

Professor Dr. Christoph Brüning, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

13/2025

Es führt selten zu guten Ergebnissen, wenn der Gesetzgeber aus dem tagespolitischen Stand in kurzer Frist folgenschwere Regelungen trifft. Deshalb ist ein zentrales Element der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (www.ghst.de/initiative-fuer-einen-handlungsfaehigen-staat), „bessere Gesetze“ zu verlangen. Dabei hängt die Qualität auch und gerade von einem fachlich begleiteten Gesetzgebungsverfahren ab. Wie berechtigt diese Forderung ist, zeigt die im Galopp vom „alten“ Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung vom 25.3.2025 zum Staatsschuldenrecht. Insbesondere wegen des Durchgriffs auf das Finanzverfassungsrecht der Länder durch den neuen Art. 109 III 9 GG steht der Verdacht verfassungswidrigen Verfassungsrechts im Raum. Denn welche Rechtfertigung es dafür geben kann, die Verfassungsautonomie der Länder derart einzuschränken, dass ihnen – auch fortan – ein Festhalten am grundsätzlichen Verbot der Nettoneuverschuldung versagt werden muss, ist völlig unklar. Das politische Ziel einer schnellen Änderung der Verfassungslage in den Ländern ohne – aufgrund der politischen Realitäten mancherorts eventuell kaum zu erreichenden – Beschlüsse der als Landesverfassungsgeber jeweils zuständigen Landtage verkennt die staatsrechtliche Eigenstaatlichkeit der Länder. Wenn ein Land die bisherige Schuldenbremse in der Landesverfassung nicht im Sinne der durch die grundgesetzliche Änderung eröffneten Spielräume anpasst, weil dafür die politischen Mehrheiten fehlen, und deshalb weiter hinter den bundesverfassungsrechtlich gezogenen Kreditobergrenzen zurückbleibt, ist das vom Bund zu akzeptieren und nicht durch Art. 109 III 9 GG prophylaktisch zu übergehen.

Sollte die Vorschrift auch eine zukunftsgerichtete Dimension haben – wofür im systematischen Zusammenhang der Art. 109 III 6 ff. GG manches spricht –, wird die Sache nicht übersichtlicher. Zunächst mutet merkwürdig an, dass ein Durchgriff auf Landes(verfassungs)recht von einer Entscheidung des einfachen Bundesgesetzgebers abhängt. Überdies weist die Qualität bundesverfassungsrechtlich außer Kraft tretenden Landesrechts nicht nur – ggf. gar nicht vorhandenes – Landesverfassungsrecht auf. Sie kommt auch den Haushaltsgesetzen der Länder zu, so dass sich die Frage stellt, ob Haushaltsgesetzgeber, die von der Erteilung konkreter Kreditermächtigungen nicht im grundgesetzlich vorgegebenen Umfang Gebrauch machen, verfassungswidrig handeln. Ein derartiger Verschuldungszwang stünde in direktem Widerspruch zu der von Art. 109 I GG gewährleisteten Haushaltsautonomie der Länder.

Politik hat ihre eigenen Rationalitäten, und das ist auch gut und richtig. Aber wenn Recht „geronnene Politik“ ist, müssen bei der Rechtsetzung, erst recht der Verfassunggebung, die grundlegenden dogmatischen Standards beachtet werden. Anderenfalls erreicht die Staatsverdrossenheit auch eigentlich wohlmeinende Rechtsanwender. Es sollte ein Weckruf sein, wenn ein ehemaliger Richter des BVerfG gar von einem „Staatsstreich“ (www.faz.net/einspruch/reform-im-bundesratdie-regelung-waere-ein-staatsstreich-110369478.html) spricht. Mag das politisch verfolgte Ziel einer Reform der Schuldenbremse auch seine Berechtigung haben, ist das rechtliche Ergebnis kein beruhigender Zustand. Gegen die seinerzeitige Einführung des Schuldenverbots in das Grundgesetz mit unmittelbarer Wirkung auch für die Länder klagte der Schleswig-Holsteinische Landtag 2010 noch vor dem BVerfG wegen Verletzung der Verfassungsautonomie des Landes Schleswig- Holstein sowie des Budgetrechts des Landtages. Aktuell hört man nichts aus den Ländern zur Verteidigung ihres bundesstaatlichen Selbststandes.


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