Ein AfD-Abgeordneter hatte vom Berliner Senat die 20 häufigsten Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit bei Messerstraftaten erfragt. Der Senat verweigerte das. Der VerfGH Berlin sah keine "tragfähige Begründung" dafür und daher das parlamentarische Fragerecht verletzt.
Der VerfGH Berlin hat festgestellt, dass der Senat von Berlin durch die Ablehnung der Anfrage das parlamentarische Fragerecht aus Art. 45 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verletzt hat. Der Antrag eines AfD-Abgeordneten im Organstreitverfahren hatte damit Erfolg (Beschluss vom 13.05.2025 – VerfGH 67/24).
Der Senat hatte Auskünfte zu Tatzahlen und Tätergruppen weitgehend erteilt, sich jedoch geweigert, die 20 häufigsten Vornamen tatverdächtiger deutscher Staatsangehöriger mitzuteilen: Es bestehe das Risiko der Identifizierbarkeit. Zudem verwies der Senat auf den Schutz persönlicher Daten.
VerfGH Berlin: Risiko der Identifizierbarkeit nicht plausibel
Der VerfGH Berlin sah das anders. Zwar könne das allgemeine Persönlichkeitsrecht einzelner Tatverdächtiger die parlamentarische Auskunftspflicht begrenzen. Im konkreten Fall sah das Gericht jedoch kein tragfähiges Identifizierungsrisiko: Die Abfrage bezog sich auf zusammengefasste Daten zu rund 1.200 Tatverdächtigen über einen längeren Zeitraum. Eine konkrete Zuordnung einzelner Personen liege unter diesen Umständen nicht nahe, erklärten die Richterinnen und Richter.
Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des BVerfG prüfte das Gericht nur die vom Senat vorprozessual angeführten Gründe. Später im Verfahren nachgeschobene Hinweise auf potenziellen Missbrauch der Daten oder befürchtete Stigmatisierung von Personen mit vermeintlichem Migrationshintergrund blieben deshalb unberücksichtigt.
Sondervotum: Liste verstößt gegen Menschenwürde
Die Entscheidung des Gerichts fiel mit knapper Mehrheit von 5:4 Stimmen. Die unterlegenen Richterinnen und Richter gaben ein Sondervotum ab. Sie hielten die Erstellung und Herausgabe einer solchen Vornamensliste auch auf parlamentarische Anfrage hin "als Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde für verfassungsrechtlich verboten.
Der Berliner Senat muss nun erneut über die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage entscheiden.
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