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Sozialversicherung: Schickt Bas den Rechtsstaat in Rente?

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos
Ar­beits- und So­zi­al­mi­nis­te­rin Bär­bel Bas, die mäch­tigs­te Frau in der SPD, möch­te alle Staats­die­ner in die ge­setz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung schi­cken. Was würde das für die Jus­tiz be­deu­ten?

"Beamte in die Gesetzliche" ist so etwas wie ein Evergreen, der jedes Jahr verlässlich zum "Sommerloch" wiederkehrt, um Zeitungs- und Online-Spalten zu füllen, wenn sich in der Republik gerade sonst nicht viel tut. Doch dieses Jahr kam das Gespenst vom Ende der Beamtenpensionen etwas früher um die Ecke und die Idee wurde gar von höchster Stelle ventiliert: Bärbel Bas, ihres Zeichens frisch gebackene Bundesministerin für Arbeit und Soziales und damit zuständig für die Rentenkasse, schlug Anfang Mai vor, dass auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen sollten – schließlich müsse man dringend die Einnahmen verbessern.

Nun ist Bas nicht allein entscheidungsbefugt über eine Reform des Beamtenstatus – zumal die meisten bei den Ländern bedienstet sind – doch muss man den Vorschlag wohl ernst nehmen, denn abseits ihres Regierungsamtes hat die 57-Jährige gerade auch die Parteiführung neben Lars Klingbeil übernommen und könnte die SPD damit programmatisch auf Jahre mitprägen. Dementsprechend hat der Vorstoß für viel Aufsehen und Entrüstung gesorgt, der Deutsche Beamtenbund lehnte ihn gleich brüsk ab: "Einer Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage", ließ der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach umgehend mitteilen.

Auch für die Rechtsbranche stellen sich zahlreiche Fragen, etwa, was das für selbstständige Anwältinnen und Anwälte bedeuten würde, die bereits über ihr Versorgungswerk abgesichert sind. Doch auch und gerade für die Justiz mit ihren vergleichsweisen niedrigen Gehältern und der immer schwächeren Anziehungskraft auf junge Talente stellt sich die Frage: Wohin soll das führen, wenn der Anreiz einer Pension wegfällt? Richterinnen und Richter sind zwar keine Beamte, diesen aber in weiten Teilen – auch im Hinblick auf die Altersversorgung – gleichgestellt und wären vom Bas-Vorschlag vermutlich ebenfalls betroffen.

Verliert die Justiz den Kampf um Talente endgültig?

Hörst man sich bei den Landesjustizministerien um, so will man dort den Bas-Vorschlag zumeist gar nicht kommentieren, wenngleich unter der Hand einige sehr kritisch dazu stehen. Zitieren lassen will sich etwa ein Sprecher des Thüringischen Justizressorts nur damit, die Thematik sei "derart vielschichtig und komplex und betrifft zudem Bundesrecht sowie die Zuständigkeit anderer Ressorts, sodass von einer Bewertung abgesehen wird". Gleichwohl geht man dort nicht unbedingt von einem automatischen Bewerberrückgang aus, sollte die verlockende Pension wegfallen, da bei der Entscheidung für das Richteramt andere (u. a. berufsethische) Faktoren eine wichtige Rolle spielten. Geld gab es ohnehin nie viel, in die Justiz gehen Überzeugungstäterinnen und -täter, so könnte man dieses Statement verstehen.

Ein wenig anders sieht das die Neue Richter*innenvereinigung (NRV), die durchaus erhebliche Konsequenzen fürchtet, sollte der Quasi-Beamtenstatus von Richterinnen und Richtern bald der Vergangenheit angehören. "Ein Motivationsschub für die Kolleginnen und Kollegen wäre das sicher nicht", kommentiert Carsten Löbbert, Mitglied des Bundesvorstandes der NRV, die Idee von Bas. "Bei der Nachwuchsgewinnung konkurriert die Justiz mit der Wirtschaft, insbesondere den Anwaltskanzleien. Die Justiz legt Wert auf hochqualifizierten Nachwuchs, gute Examensergebnisse, Schlüsselqualifikationen, Sozialkompetenz", so Löbbert. "Es werden also Leute gesucht, die überall gesucht werden. Dabei kann die Justiz schon lange gehaltsmäßig überhaupt nicht mit den Angeboten mithalten, die qualifizierten Juristen anderswo geboten werden. Die unbestreitbar gute Altersversorgung war in diesem Bereich immerhin ein Pluspunkt mit einer gewissen Bedeutung. Würde man hier das Niveau oder die wirtschaftliche Bedeutung absenken, dürfte es eine weitere Einbuße der Attraktivität der Justiz sein. Das wird die Nachwuchsgewinnung weiter erschweren." Hinzu käme im Übrigen, dass Juristinnen und Juristen, die gegenwärtig im Staatsdienst arbeiten, vielleicht eher geneigt wären, diesen wieder zu quittieren, da ihnen nicht mehr die höchst unattraktive Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung drohen würde. 

Grundgesetz schreibt keine Beamten- und Richter-Pension vor

Doch wie würde eine Überführung der Justizbediensteten in die gesetzliche Rentenversicherung ablaufen? Und wäre es überhaupt rechtlich machbar? Richterinnen und Richter sind - wie Beamte und auch Soldatinnen und Soldaten - per Gesetz aktuell von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit, doch das Grundgesetz schreibt nicht vor, dass sie eine gesonderte Versorgung erhalten müssten. Art. 33 Abs. 5 GG gibt nur vor, dass "das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln" ist. Daraus folgt zwar eine Pflicht zur angemessenen Alimentation, jedoch nicht über ein bestimmtes Modell.

Einfach alle zu überführen ginge jedoch nicht, wie Carsten Löbbert von der NRV erläutert: "Wegen des auch für Richterinnen und Richter geltenden Bestandsschutzes könnte es alle derzeit tätigen Richterinnen und Richter nicht betreffen." Statusrechtlich werde ein Systemwechsel aber wahrscheinlich möglich sein: "Die Stellung der Richterinnen und Richter, deren richterliche Unabhängigkeit, hängt wohl nicht daran, welches Altersversorgungssystem angewendet wird. Das eine System wie das andere wäre gesetzlich geregelt."

Ob der Staat wirklich sparen würde, ist fraglich

Wie insgesamt stellt sich aber auch hier die Frage, inwiefern der Vorschlag auch volkswirtschaftlich sinnvoll umsetzbar wäre. Denn schließlich ist das Ziel, die Rentenkasse aufzubessern. Dabei müsse man wirtschaftlich zwei Situationen unterscheiden, erklärt Löbbert. 

Szenario Nummer eins wäre: Man führt beim jetzigen Besoldungsniveau eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht ein. Dies würde zunächst einmal zu erheblichen Gehaltseinbußen für die Betroffenen führen, da sie von ihrer – im Übrigen gleichbleibenden – Besoldung nunmehr auch Rentenversicherungsbeiträge entrichten müssten. Für den Staat brächte das aber zunächst keine Entlastung, erklärt Löbbert, denn die Pensionen für die ehemaligen Richterinnen und Richter, die bereits im Ruhestand sind, müssten schließlich noch viele Jahre weitergezahlt werden und der Staat müsste zusätzlich für die neu eingestellten die Arbeitgeberbeiträge übernehmen. 

"Die Gefahr, dass es dann zu Einsparungen bei der Personalmenge kommen würde, ist sehr groß" meint Löbbert und weist darauf hin, dass sich die ohnehin angespannte personelle Lage in der Justiz dann weiter verschärfen dürfte. Außerdem weist der Richter auf die Kritik der NRV und zahlreicher anderer Stimmen an der oftmals nicht amtsangemessenen Besoldung hin. Durch zusätzliche Abgaben in die Rentenkasse "würde sich diese Situation weiter verschärfen und erst recht eine verfassungswidrige Besoldung entstehen."

Eine andere Möglichkeit wäre es natürlich, den Verlust durch die Beiträge auszugleichen, indem der Staat die Besoldung so weit anhebt, dass die Nettoauszahlung gleichbliebe. Ob damit viel gewonnen wäre, bezweifelt Löbbert indes, da dies schließlich für deutlich höhere Personalkosten sorgen würde, die wiederum aus Steuergeldern bezahlt werden müssten. Es würden Jahrzehnte vergehen, so Löbbert, ehe der Staat bei diesem Modell vielleicht Geld einsparen könnte.

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