Begründet wurden die Kredite vor allem mit der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg und der Ostsee-Sturmflut im Herbst 2023. Diese Ereignisse hätten den Haushalt des Landes erheblich belastet, so die Landesregierung.
Das LVerfG gestand zu, es handele sich dabei um "außergewöhnliche Notsituationen bzw. eine Naturkatastrophe, die sich der Kontrolle des Landes Schleswig-Holstein entzogen haben". Dennoch habe der Gesetzgeber nicht ausreichend dargelegt, inwiefern diese Notlagen im Haushaltsjahr 2024 die Finanzlage erheblich beeinträchtigten. Daher sei die Aufnahme der Notkredite verfassungswidrig gewesen (Urteil vom 15.04.2025 – LverfG 1/24).
Notlagenbeschluss nennt Kosten nicht ausreichend
Der Gesetzgeber müsse seine Erhebungen und Prognosen für höhere Ausgaben oder geringere Einnahmen im Notlagenbeschluss oder in den im Gesetzgebungsverfahren zum Haushalt erstellten Unterlagen dokumentieren und begründen, so die Landesverfassungsrichter und -richterinnen. Dabei müsse die finanzielle Belastung des Landeshaushalts zumindest näher bestimmt werden, auch der außerordentliche Finanzbedarf müsse gemessen am Gesamthaushalt erheblich sein. Dabei stehe dem Gesetzgeber durchaus ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu.
Zwar lasse der Notlagenbeschluss auf einige der wesentlichen Einschätzungsfaktoren der Landesregierung schließen, so das LVerfG weiter. Es ergebe sich jedoch kein Gesamtbild einer erheblichen finanziellen Beeinträchtigung. Außer für die Ostseesturmflut nenne der Notlagenbeschluss keine Größenordnung der finanziellen Belastung, für die Kosten aus der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs fehle es an konkreten Zahlen. Daher sei die benannte Notkreditsumme nicht mit der finanziellen Beeinträchtigung gleichzusetzen.
Zudem fehle eine ausreichende Verbindung zwischen den geplanten kreditfinanzierten Maßnahmen und der jeweiligen Notlage. Welche Maßnahmen der Gesetzgeber ergreifen wolle, sei zwar Teil seines Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums. Jedoch müsse er erläutern, dass die Maßnahmen geeignet sind, die jeweilige Notlage zu überwinden bzw. ihr vorzubeugen. Dabei müsse nicht jede einzelne Maßnahme aufgelistet und begründet werden, die Darlegungspflicht erhöhe sich aber, je länger die Notlage bereits zurückliegt. Die Darlegungen der Landesregierung Schleswig-Holstein im Notlagenbeschluss "erfüllen diese Voraussetzungen in weiten Teilen nicht", so das Gericht.
Folgen für den Etat 2025?
Der vom Landtag beschlossene Tilgungsbeschluss genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht, so das LVerfG weiter. Er lege nicht ausreichend dar, innerhalb welchen Zeitraums die Notkredite getilgt werden sollen. Auch könne das bereits bestehende Tilgungsgesetz durch den Notlagenbeschluss nicht geändert werden.
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) kündigte im Vorfeld des Urteils an, die Begründung der Entscheidung sorgfältig auszuwerten. "Soweit aus dem Urteil Folgerungen für 2025 zu ziehen sind, werden wir die notwendigen Schritte zügig einleiten", sagte sie. Zwar ist das Haushaltsjahr 2024 längst vorbei, Schwarz-Grün arbeitet aber weiter mit einem Notkredit. Der Etat des laufenden Jahres enthält einen Notkredit in Höhe von 272 Millionen Euro - dieses Mal nur begründet mit den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
Laut vorläufigem Haushaltsabschluss finanzierte Schleswig-Holstein 2024 effektiv 493,8 Millionen Euro über die Notkredite. Ursprünglich hatte der Landtag die Regierung sogar zur Aufnahme von Notkrediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ermächtigt, diese Summe im Oktober per Nachtragshaushalt aber auf 1,2 Milliarden Euro reduziert (Urteil vom 15.04.2025 - LVerfG 1/24).
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