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Regierungspläne für das IFG: "Die Verwaltung hat das Gesetz schon immer sabotiert"

Redaktion beck-aktuell, Dr. Hendrik Wieduwilt
Zu­nächst woll­te Phil­ipp Amthor das IFG ver­meint­lich ab­schaf­fen, nun will es die de­si­gnier­te Bun­des­re­gie­rung re­for­mie­ren. Warum das Ge­setz so wert­voll ist und ob sich Be­hör­den künf­tig wie­der vor den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern ver­ste­cken kön­nen, er­klärt Chris­toph Partsch im Ge­spräch.

beck-aktuell: Mit dem IFG haben Bürgerinnen und Bürger einen sehr umfassenden Auskunftsanspruch gegen den Staat und seine Behörden und können diesen auch einklagen. Nachdem der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor zunächst offenbar mit dem Gedanken gespielt hat, es ganz abzuschaffen, will die angehende Bundesregierung das IFG nun zumindest reformieren. Wie kam der Staat eigentlich dazu, sich durch dieses Gesetz selbst einzuschränken?

Partsch: Das hat eine lange Geschichte. In den skandinavischen Ländern gibt es so etwas seit über 200 Jahren. Und schon die deutschen Revolutionäre 1848 haben die Öffentlichkeit der Staatsverwaltung gefordert. Man kam bekanntermaßen damals nicht damit durch. Sie gingen dann in die USA und haben dort unter anderem die demokratische Partei gegründet, die dann in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts den Freedom of Information Act eingeführt hat. 

1945 bestand die amerikanische Besatzungsmacht in Bayern und anderen Bundesländern darauf, dass es ein starkes Recht auf Transparenz geben müsse, um autoritären Tendenzen zu begegnen. Das führte dann 1949 zunächst nur zu einem Presseauskunftsrecht. Doch schon damals war die Idee der Amerikaner, dass alle Einsicht bekommen sollten, um die Verwaltung zu überprüfen. Es hat tatsächlich bis 2006 gedauert, als die scheidende Regierung Schröder mit dem IFG die richtige Idee hatte.

"Allein die Tatsache, dass das IFG existiert, ist schon wichtig"

beck-aktuell: Gut möglich, dass das nahende Ende der Regierung das begünstigt hat.

Partsch: Für die Opposition ist ein IFG immer günstig und die Schröder-Regierung hat dieses Gesetz als letztes verabschiedet, bevor sie in die Opposition ging.

beck-aktuell: Wie wichtig ist das heutige IFG denn für die freiheitliche Demokratie?

Partsch: Ich denke, allein seine Existenz ist schon wichtig. Denn die Tatsache, dass es dieses Kontrollinstrument durch Auskunft gibt, führt zur Mäßigung in vielen Bereichen der Verwaltung. Die Funktion des IFG hat schon der damalige Gesetzesentwurf der SPD gut umschrieben: Es sollte helfen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zurückzugewinnen, außerdem Korruption bekämpfen und die Verwaltung modernisieren. Diese Beschreibung hat es dann nicht in die Erwägungen des am Ende beschlossenen Gesetzes geschafft, weil das Innenministerium der Meinung war, dass man das alles nicht brauche. In der Rechtsprechung allerdings sind diese gesetzgeberischen Erwägungen bis heute anerkannt.

"Das einzige Gesetz aus der Mitte des Bundestags"

beck-aktuell: Nun zeichnet sich ab, dass die neue Regierung vielleicht eine Rolle rückwärts plant. Philipp Amthor selbst hat zwar inzwischen bekundet, man wolle das IFG nicht ersatzlos abschaffen, sondern effizientere und praktikablere Verfahren ermöglichen. Vor einigen Jahren zeigte eine Evaluierung zudem Mängel am IFG auf. Was halten Sie von einer Reform?

Partsch: Es gab ja schon in der Ampel-Koalition den Wunsch, das IFG zu einem Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, so wie es in Hamburg oder Bremen und in vielen europäischen Ländern bereits existiert. Das hat aber auch die alte Regierung nicht durchsetzen können. Der Gesetzesentwurf scheiterte bereits im Innenministerium, weil die Verwaltung intern dagegen Sturm lief. Das IFG ist nach meinem Kenntnisstand das einzige Gesetz Deutschlands, das wirklich aus der Mitte des Bundestags entstanden ist – nicht zuletzt deshalb, weil die Verwaltung es stets sabotiert hat.

Das IFG nun zu einem Transparenzgesetz fortzuentwickeln, wäre sinnvoll. Wenn man etwa nach Hamburg schaut, wird es dort sogar hauptsächlich von der Verwaltung genutzt. Denn für sie ist es auch ein gutes Tool für die Recherche. Würde man das bundesweit umsetzen, wäre das ein echter Fortschritt. Ich glaube allerdings nicht daran, denn die Erfahrung zeigt, dass die Verwaltung dieses Gesetz an jeder Ecke zu behindern versucht.

"Oft haben diejenigen etwas umgesetzt, denen man es am wenigsten zutraute"

beck-aktuell: Die Forderung von Amthor ging dahin, das IFG mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) und dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) zusammenzulegen. Zusätzlich will er darin auch noch den Presseauskunftsanspruch regeln. Glauben Sie daran, dass das Wirklichkeit werden könnte?

Partsch: Es hat sich ja oft erwiesen, dass diejenigen, denen man es am wenigsten zugetraut hatte, sich plötzlich zusammengefunden und etwas umgesetzt haben. Aktuell haben wir tatsächlich eine Atomisierung der Informationszugangsgesetze. Der Auskunftsanspruch der Presse ist nicht kodifiziert, aber durch das BVerfG grundgesetzlich abgesichert.

Aus meiner Sicht würde es daher Sinn ergeben, diese ganzen unterschiedlichen Gesetze zusammenzufassen. Das setzt aber voraus, dass man das Niveau des UIG nicht unterschreitet, da dieses europarechtlich determiniert ist. Gleiches gilt wohl auch für den presserechtlichen Auskunftsanspruch, der nach der Rechtsprechung des BVerfG mindestens das Niveau der landespresserechtlichen Gesetze halten muss. Und es wäre natürlich schön, wenn die Presse endlich auch einen Einsichtsanspruch bekäme, den sie in den Augen vieler Gerichte bislang nicht hat.

"Journalisten brauchen ein Einsichtsrecht"

beck-aktuell: Den Auskunftsanspruch durchzusetzen, ist nach dem heutigen IFG recht mühsam, man muss einen Antrag ausfüllen, auf einen Bescheid warten – das dauert lange. Journalistinnen und Journalisten versuchen daher in der Regel gar nicht erst, auf diesem Weg an Informationen zu kommen. Wie bedeutsam ist das Gesetz dennoch für die Praxis? 

Partsch: Wie bedeutsam das IFG ist, hängt zuallererst von den Gerichten ab. Die Verwaltungsgerichte in Berlin, die tendenziell regierungsnah sind, haben zum Beispiel noch nie einen einstweiligen Antrag nach dem IFG zugelassen. Andere Gerichte sind dafür offener. Wenn man einen langen Atem hat und nicht am nächsten Tag einen Artikel schreiben muss, kann man aber – im Gegensatz zum Vorgehen über den presserechtlichen Auskunftsanspruch – auch das eigentliche Dokument bekommen, um das es geht. Damit ist man sehr viel sicherer gegenüber Gegendarstellungsansprüchen und Unterlassungsansprüchen. Gerade weil die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Presse immer weiter nach oben geschraubt werden, ist es ein Problem, wenn Journalistinnen und Journalisten nicht die Möglichkeit haben, an Dokumente zu gelangen.

beck-aktuell: Wie ist Ihre Prognose: Werden Sie als Rechtsanwalt unter einer Merz-Regierung mehr oder weniger Arbeit in Sachen IFG bekommen?

Partsch: Ich kann mir gut vorstellen, dass man versucht, das IFG zurückzuschneiden. Doch dann gibt es noch andere Gesetze, wie eben den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 GG, den Anspruch aus dem Bundesarchivgesetz und nicht zuletzt Art. 10 EMRK. Es gibt also noch andere Mittel für jene, die im öffentlichen Interesse Auskunft und Einsicht verlangen.

Doch wenn man das IFG anfassen und mit anderen Auskunftsgesetzen zusammenfügen will, muss man es an deren Niveau angleichen, was die Rechte sogar noch einmal stärken würde. Da bin ich skeptisch, ob man das wirklich will.

beck-aktuell: Herr Partsch, vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Christoph J. Partsch ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Partsch & Partner in Berlin.

Die Fragen stellte Dr. Hendrik Wieduwilt.

Das ganze Gespräch hören Sie in der aktuellen Folge 49 von Gerechtigkeit & Loseblatt, dem Podcast von NJW und beck-aktuell.

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Kluth, Der Funktionswandel bei der Herstellung von Transparenz durch Informationsansprüche als Herausforderung für den Gesetzgeber, NVwZ 2024, 24

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