Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union steht und widmet dem Thema Migration viel Platz: Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, beschränkter Rechtsschutz, effizientere Abschiebungen - hier zeigt die Union Härte. Doch auch im Strafrecht soll nachgeschärft werden.
Die Migration war eines der, wenn nicht das bestimmende Thema des vergangenen Wahlkampfes, vor allem für die Union. Dementsprechend wichtig war es für den designierten Kanzler Friedrich Merz, hier Erfolge präsentieren zu können. Und in der Tat findet sich im Koalitionsvertrag einiges von dem, was die Union vorab für einen "Politikwechsel" gefordert hatte. Man wolle "alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren" heißt es im Vertrag.
Neben der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre, der sich auch schon in Merz‘ berüchtigtem Zustrombegrenzungsgesetz fand, dessen Beschluss im Bundestag seinerzeit scheiterte, steht auch anderweitig eine neue Härte im Blickpunkt. Zentral ist dabei sicherlich die Zurückweisung an den deutschen Staatsgrenzen, die – wie es schon nach den Sondierungen hieß – "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" vorgenommen werden sollen. Ob das Zustimmung oder bloße Information impliziert, scheint weiter nicht abschließend ausverhandelt. Bis das europäische Asylsystem wieder funktioniere, werde man jedenfalls die Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen fortsetzen. Weiterhin sollen Asylverfahren schneller und effizienter ablaufen. Im Raum stehen etwaige Rechtsmittelbeschränkungen und auch besondere Verwaltungsgerichte für Asylrechtssachen. Zudem soll im Asylrecht der Beibringungsgrundsatz statt dem Amtsermittlungsgrundsatz gelten. Weiterhin wollen Union und SPD die auf EU-Ebene beschlossene GEAS-Reform noch in diesem Jahr umsetzen
Kein zwingender Rechtsbeistand bei Abschiebung mehr
Bei schweren Straftaten mit Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe soll es künftig eine Regelausweisung geben. Interessant: Als Beispiele für eine solche werden neben Gewaltdelikten u. a. auch der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte oder die Volksverhetzung angeführt. Schließlich soll auch der Abschiebungsvorgang effizienter werden. Dazu wollen die Koalitionäre den verpflichtend beigeordneten Rechtsbeistand vor Vollzug der Abschiebung abschaffen und einen dauerhaften Arrest für ausreisepflichtige Gefährderinnen und Gefährder sowie Straftäterinnen und Straftäter ermöglichen.
Eine Kehrseite hat die neue Härte im Asylrecht indes: Geflüchtete, die einen Schutzanspruch haben, sollen künftig schneller und besser integriert werden. Dazu will man Hürden für die Beschäftigungsaufnahme abbauen und Arbeitsverbote auf maximal drei Monate reduzieren. Auch der Zugang qualifizierter Menschen zum Arbeitsmarkt soll einfacher werden. Wirklich ausbuchstabiert ist hier aber noch wenig.
Sanktionen gegen Plattformbetreiber bei Deepfakes geplant
Im Strafrecht zeigt sich, dass Union und SPD im Law-and-order-Bereich ohnehin nie weit auseinanderlagen. Dementsprechend finden sich – trotz eines Bekenntnisses, das Strafrecht zu modernisieren und, wo möglich, zu entschlacken – diverse Verschärfungen, etwa beim Schutz von Rettungs- und Sicherheitskräften (§§ 113-115 StGB).
Auch im Cyber-Strafrecht will die neue Regierung nachlegen, u. a. bei sog. Deepfakes. Dazu will man nicht nur Strafbarkeitslücken schließen, sondern auch die Plattformbetreiber mit neuen Sanktionsmöglichkeiten in die Pflicht nehmen, strafbare Inhalte schnell und effektiv zu entfernen. Bei der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft soll zudem künftig eine vollständige Beweislastumkehr gelten. Auch eine Exoten-Norm soll angepasst werden, § 99 StGB für "(g)eheimdienstliche Agententätigkeit" nunmehr einen Regelstrafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe androhen. Um Terrorangriffe besser im Vorfeld ahnden zu können, will man die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) auf Angriffe mit Messern oder Fahrzeugen ausweiten.
"Lex Höcke" soll kommen
Und schließlich hat es auch die in letzter Zeit heiß diskutierte "Lex Höcke" in den Koalitionsvertrag geschafft: "Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie" werde man bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung den Entzug des passiven Wahlrechts einführen, heißt es. Zuletzt hatte die Entscheidung eines französischen Gerichts für viel Aufregung gesorgt, das Marine Le Pen im Zuge einer strafrechtlichen Verurteilung dieselbe Sanktion auferlegt hatte.
Auch strafprozessual wollen die Parteien staatliche Eingriffsbefugnisse ausweiten. So sollen die Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO für Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung und Co. wachsen, auch die automatisierte Gesichtserkennung soll bei schweren Straftaten zur Identifizierung herangezogen werden können. Dazu soll an Kriminalitätsschwerpunkten Videoüberwachung eingeführt werden.
Zu guter Letzt: Die Cannabis-Legalisierung bleibt – vorerst. Im kommenden Herbst will die neue Bundesregierung eine Evaluierung des Gesetzes durchführen. Von der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchsabbruchs dagegen ist im Vertrag nichts zu lesen.