Nach einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten Kliniken ab 2026 weniger Geld, wenn sie bestimmte personelle Untergrenzen für ihre psychiatrischen Abteilungen nicht einhalten. Die Einrichtungen entgegnen, sie fänden keine Leute und müssten nun um ihre Mittel bangen.
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist kein neues Problem, auch nicht im Gesundheitssystem. Nicht vorhandenes Personal entsteht auch nicht dadurch, dass man danach verlangt. Genau dies tut der Gesetzgeber aber, wenn er den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) personelle Untergrenzen für stationäre Einrichtungen im Bereich von Psychiatrie und Psychosomatik festschreiben lässt. Hiergegen wehrten sich diverse Kliniken bis zum BSG, wo sie am Donnerstag aber unterlagen (Urteile vom 19.12.2024 - B 1 KR 16/23 R u. a.).
Der G-BA ist das höchste Selbstverwaltungsgremium im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt gemäß seinem gesetzlichen Auftrag über Leistungsumfänge und Vergütungsansprüche innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. § 136a Absatz 2 Satz 2 SGB V ermächtigt ihn auch, durch Richtlinien sanktionsbewehrte Mindestvorgaben zur Personalausstattung für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen zu treffen. Eben dies hat er mit der "Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik“ getan. Diese sieht - um die Qualität der Behandlung zu sichern - personelle Untergrenzen für das therapeutische Personal vor. In der Richtlinie gibt der G-BA seit 2020 für verschiedene Behandlungsbereiche und Berufsgruppen Minutenwerte pro Patientin, bzw. Patient und Woche vor, aus denen sich die Mindestpersonalausstattung für jede Einrichtung anhand der pro Quartal des Vorjahres behandelten Personen ermitteln lässt. Als Grundlage zog der Ausschuss im Wesentlichen die bis 2019 geltende Psychiatrie-Personalverordnung sowie Gespräche mit Expertinnen und Experten und diverse Leitlinien heran.
BSG: Kliniken erhalten ausreichend Zeit für Personalaufbau
Problematisch für die betroffenen Einrichtungen ist aber nicht nur, dass der G-BA solche Grenzen vorgibt, sondern vor allem, dass es handfeste finanzielle Folgen hat, wenn sie diese nicht einhalten. Können sie die geforderte Ausstattung nicht nachweisen, entfällt nach der Richtlinie ab 2026 der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser in einem Umfang, der abhängig ist davon, wie deutlich die Zielvorgaben verfehlt wurden. Die Einrichtungen müssen die Mindestvorgaben bis einschließlich 2026 zunächst zu 90%, ab 2027 zu 95% und ab 2029 zu 100% erfüllen.
Vier Krankenhäuser, deren betroffene Abteilungen die Mindestvorgaben nicht überall erfüllen, klagten dagegen. Sie argumentierten, aufgrund des vorherrschenden Fachkräftemangels im Gesundheitssektor sei ausreichendes Personal nicht so einfach zu finden. Zudem rügten sie auch fehlende Evidenz für die festgelegten Personaluntergrenzen. Aufgrund der drohenden Budgetkürzungen könnten sie die Versorgung in Zukunft kaum noch aufrechterhalten.
Nachdem bereits das LSG Berlin-Brandenburg ihre Klagen bereits abgewiesen hatte, scheiterten sie nun auch vor dem BSG. Zunächst hatte der 1. Senat keine Bedenken gegen die Delegation der Richtlinie an den G-BA, der über eine hinreichende demokratische Legitimation verfüge und die Richtlinie ermächtigungskonform umgesetzt habe. Weiterhin bewertete das Gericht die Richtlinie auch inhaltlich als rechtmäßig, da sie angesichts der moderat bemessenen Kürzungen und der langen Übergangsfristen für den Personalaufbau verhältnismäßig sei. Mangels evidenzbasierter Anhaltspunkte für die erforderliche Personalausstattung habe der G-BA auch auf die Anhaltszahlen der Psychiatrie-Personalverordnung und in der Praxis seit längerer Zeit angewandte Erfahrungswerte zurückgreifen und diese aufgrund plausibler Erwägungen im Einzelfall modifizieren dürfen (Urteil vom 19.12.2024 - B 1 KR 16/23 R).