Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt sperrte auf ihrer Facebook-Seite einen Nutzer wegen Verstößen gegen die Kommentar-Regeln. Das OVG Münster ließ offen, ob es dafür eine Ermächtigungsgrundlage gibt. Es sah im konkreten Fall jedenfalls einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit.
Auf der Facebook-Seite hatte ein Nutzer mehrfach Kommentare gepostet. Er warf darin dem Deutschlandfunk Einseitigkeit vor, sprach unter anderem von einem "linksradikalen Hetzinstrument", verglich ihn mit dem DDR-Staatsfernsehen und forderte die "Abschaffung des Rotfunks".
Daraufhin wurde sein Account gesperrt, sodass er die Kommentarfunktion nicht mehr nutzen konnte. Daneben wurden seine Kommentare auch gelöscht. Die beklagte Rundfunkanstalt (Deutschlandradio) begründete das mit Verstößen gegen die Kommentar-Regeln. Es kam schließlich zu einer Klage, die der Nutzer nach zwischenzeitlicher Entsperrung auf eine Feststellungsklage umstellte. Er sah sich durch die Sperrung in seiner Meinungsfreiheit verletzt. Der Sender sah die Sperrung dagegen durch die Rundfunkfreiheit gedeckt.
Das VG Köln wies die Klage ab. Der Sender habe die Kommentarfunktion aufgrund seines "virtuellen Hausrechts" sperren dürfen. Die Sperrung sei sachlich gerechtfertigt gewesen, da die Kommentare des Lesers gegen die Sender-Netiquette in Verbindung mit dem Rundfunkstaatsvertrag - gegen das Sachlichkeits- und das Themenbezugsgebot - verstoßen hätten. Beim OVG Münster bekam der Nutzer dann Recht (Urteil vom 24.09.2024 - 13 A 1535/21). Es stellte fest, dass die Sperrung des Accounts rechtswidrig war. Dabei ließ es die Frage offen, ob es für die Sperrung als Eingriff in die Meinungsfreiheit eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gab. Denn jedenfalls sei die Sperrung unverhältnismäßig gewesen.
Sperrung griff unverhältnismäßig in Meinungsfreiheit ein
Der Sender habe mit der Sperrung erheblich in die Meinungsfreiheit des Nutzers eingegriffen. Dabei habe es sich nur um drei Kommentare innerhalb eines Monats gehandelt, die den - unterstellten - rechtlichen Anforderungen nicht entsprochen hätten, also keinen hinreichenden Sendungsbezug gehabt hätten oder unsachlich gewesen seien. Zudem seien es keine schweren Verstöße gewesen, so das OVG: "Die Kommentare beeinträchtigen zwar das 'Debattenklima', sind polemisch zugespitzt und übersteigert, überschreiten aber nicht die Grenze zur Strafbarkeit, beinhalten insbesondere keine Schmähkritik, sondern transportieren zumindest dem Grunde nach diskussionswürdige Sachanliegen."
Laut OVG bestand zwar die Gefahr, dass der Nutzer erneut unzulässige Kommentare hinterlässt. Der Sender habe aber ein deutlich milderes Mittel gehabt. Er hätte die Kommentare löschen und die Sperrung des Accounts androhen können. Damit hätte er dem Nutzer die Möglichkeit gegeben, sein Verhalten zu überdenken. Zwar wäre dieses Vorgehen geringfügig weniger wirksam gewesen als eine Sperrung. Diese geringen Abstriche bei der Wirksamkeit hätte der Sender hier aber angesichts der Bedeutung der Meinungsfreiheit hinnehmen müssen (Urteil vom 24.09.2024 - 13 A 1535/21).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
OVG Münster, Berichterstattung, Meinungsfreiheit, Sperrung, Rundfunkanstalt, Rundfunkfreiheit, Feststellungsklage, Wiederholungsgefahr, milderes Mittel, BeckRS 2024, 29541 (ausführliche Gründe)
VG Köln, Kommentierungen auf Facebook, BeckRS 2021, 15277 (Vorinstanz)